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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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verborgen war. Respektvoll trat er einen Schritt zurück.
    »Ich bin Veronika von Livedil, das Mündel von Gábor, dem Berater des Grafen.« Damit hatte sie die Aufmerksamkeit der Männer. »Der Verletzte ist der Schüler meines Vormunds. Ich bitte Euch, bringt ihn zum Hospital, es wird nicht zu Eurem Schaden sein.« Die Männer sahen sich an, während Veronika ihre Fingernägel in die Handflächen bohrte. Als sie zustimmten, durchfuhr sie die Erleichterung wie ein Lichtstrahl den Nebel.
    Sie nahm ihr Schultertuch und wickelte es Miklos fest um den Kopf. Hoffentlich hörte er nur bald zu bluten auf! Als die Männer Miklos hochhoben, sah sie sich zum ersten Mal um. Das Dröhnen der Kanonen war verstummt, ebenso das Waffengeklirr. War der Angriff schon wieder vorbei? Staubwirbel verbargen immer noch den Blick auf die Mauern.
    Ein Bote mit Michaels Wappen am Mantel eilte an ihr vorbei, und sie hielt ihn am Arm fest. »Welchen Schaden hat die Festung genommen?«, fragte sie ihn.
    Er bekreuzigte sich, als er den Verletzten sah. »Der Herrgott hat uns vor dem Schlimmsten bewahrt«, sagte er. »Die Küche wurde getroffen und die Pferdeställe. Der Westturm hat ebenfalls Schaden genommen, doch er steht noch. Kein Türke hat es geschafft, in die Festung zu kommen.«
    Also hatte es nicht einmal einen Grund gegeben, Gábors Kammern so übereilt zu verlassen. Sie hätte schreien mögen. Miklos hing wie eine schwere Puppe in den Armen seiner beiden Träger.
Herrgott hilf, dass er nicht allzu schwer verletzt ist!
Sie wich nicht von seiner Seite.
    Am Tor zur Unterstadt erhielten die beiden Männer, die Miklos trugen, eine Bahre. Auf Befehl des wachhabenden Ritters trat ein Wachmann an Veronikas Seite. Auch jetzt noch galt Michaels Anweisung, dass sie die Unterstadt nicht alleine betreten durfte.
    Leute sahen ihren kleinen Trupp und wisperten. Manche beteten für den Verletzten, andere wandten sich schnell wieder ab. Einige Kinder liefen hinter ihnen her. Sie schienen die Einzigen zu sein, die nicht von der allgemeinen Furcht angesteckt worden waren. Ihre kleinen Gesichter waren mager. Die Nahrung in Belgrad war inzwischen äußerst knapp, und als ob die Lage nicht schon schlimm genug war, gab es Gerüchte, dass der Schwarze Tod unter den Einwohnern des Armenviertels wütete. Veronika grauste sich vor der Seuche, obwohl Gábor ihr gesagt hatte, dass sie dank ihres Wolfsbluts nichts von ihr zu befürchten hatte. Sie drückte die wenigen Gulden, die sie bei sich trug, in die gierigen Kinderfinger. Die Händler verlangten inzwischen Wucherpreise, doch für ein paar Mahlzeiten sollten die Münzen reichen.
    Endlich hatten sie das Hospital erreicht. Der Wachmann blieb stehen, er würde draußen auf Veronika warten.
    Zwei Mönche kamen ihnen schon an der Klosterpforte entgegen. Sie nahmen den Männern den Verletzten ab. Veronika wies die beiden Kriegsknechte an, sich ihre Entlohnung am nächsten Morgen bei ihr abzuholen. Dann folgte sie den Mönchen ins Refektorium, den Versammlungssaal des Klosters, der jetzt zum Krankenlager umfunktioniert worden war. Kühl war es hier und dämmrig, denn die wenigen Fenster waren durch Stoffbahnen verhüllt. Einfache Strohbetten boten Platz für wohl hundert Männer, und die meisten Lager waren bereits belegt. Veronika senkte den Blick, als sie an den Patienten vorübereilte. Der Geruch nach Blut und Eiter drang in ihre Nase. An einigen Lagern saßen Angehörige oder Mönche, hielten Hände oder wuschen Wunden aus. Manche Patienten beteten, andere dämmerten teilnahmslos dem Tod entgegen.
    Als die Mönche Miklos auf eines der hinteren Lager gebettet hatten, setzte sie sich neben ihn und ergriff seine Hand. Einer der Mönche beugte sich über den Bewusstlosen, fuhr einen Augenblick später jedoch erschrocken wieder hoch.
    »Wir brauchen feuchte Tücher«, rief er. »Der arme Mann ist fast zur Unkenntlichkeit verbrannt!«
    »Nicht so hastig.« Der Mönch, der dies äußerte, war ein alter Mann. Seine Tonsur hob die asketischen Züge in seinem Gesicht deutlich hervor. Nachdenklich ruhten seine Augen auf Miklos. »Die Brandnarben in seinem Gesicht sind alt. Die Wunde an seinem Hinterkopf ist es, um die wir uns kümmern müssen. Aus dem Weg!«
    Veronika räumte widerstrebend ihren Platz und lehnte sich an die Wand, während sie zusah, wie der Alte vorsichtig Miklos’ Kopf hob und auf seinen Schoß bettete. Er löste Veronikas behelfsmäßigen Verband, der bereits blutbefleckt war, und tastete den Kopf des

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