Mondherz
jungen Mannes ab.
»Wasser, Alaunsalbe und frische Tücher«, rief er, und einer der anderen Benediktiner eilte so dienstfertig davon, als folge er dem Befehl eines Herzogs. Erst jetzt hob der Mönch sein Gesicht. Flüchtig und gleichgültig streifte sein Blick über Veronika.
»Ist er Euer Ehemann?«, fragte er.
Sie schüttelte hastig den Kopf. »Mein Bruder«, sagte sie, und diese Worte fühlten sich an wie die Wahrheit. »Könnt Ihr ihn heilen?«
»Heilen kann nur der Herr allein«, antwortete der Mönch mit gerunzelter Stirn und sah auf seinen Patienten hinunter. Er legte ihm eine Hand auf die Brust. »Euer Bruder muss einen Schädel wie ein Ochse oder drei Schutzengel haben. Andere wären gestorben, doch die Wunde dringt nicht bis auf den Knochen, und sein Herz schlägt kräftig. Wenn Gott es will, wird er in ein paar Stunden mit Kopfschmerzen aufwachen und bald wieder gesund sein.«
Veronika holte tief Luft und merkte erst jetzt, wie flach sie geatmet hatte. Erneut griff sie nach Miklos’ Hand und drückte sie. So leise, dass nur ihre feinen Ohren es wahrnahmen, stöhnte er auf. Vor Sorge verzog sie das Gesicht, als ob sie selbst Schmerzen litt.
»Weib, Ihr seid ja ebenfalls verletzt«, entfuhr es dem Mönch. Erst jetzt schien er sie wirklich wahrzunehmen. »Geht, lasst Euch von den Nonnen in der Stadt versorgen!«
Sie richtete sich auf. »Meine Verletzungen sind nicht von Belang.«
Ihre Haut kribbelte. Ihr Wolfsblut begann bereits, die oberflächlichen Kratzer zu heilen. Sie hob ihren Arm, um eine der Hautabschürfungen zu begutachten. Sie war bereits von dunklem Schorf bedeckt, und der würde sich in wenigen Stunden lösen, um neue, helle Haut zum Vorschein zu bringen.
Am Eingang ertönte Geschrei, als Mönche einen weiteren Verletzten brachen. Der Alte erhob sich, um dem neuen Patienten entgegenzueilen, der auf ein Lager in der Nähe von Miklos gebettet wurde. Ein Brandgeschoss aus einem türkischen Katapult hätte ihn getroffen, hörte Veronika jemanden sagen. Voller Schrecken starrte sie den Verwundeten an. Er schrie vor Schmerz, als er aus seinem Kettenhemd geschält wurde. Blutverkrustete Kleidung kam zum Vorschein, darunter Brandwunden, die rot und offen waren wie kreischende Münder. Dem Mann versagte schließlich die Stimme und seine Schmerzensschreie verklangen, doch er weinte wie ein Kind. Er bat um die Letzte Ölung, während die Mönche seine Wunden behandelten. Für einen Moment begegneten seine nassen Augen Veronikas Blick, und sie senkte hastig den Kopf. Sie wollte ihn in seinem furchtbaren Leid nicht angaffen, er sollte wenigstens diese Würde behalten dürfen. Die Mönche bedeckten die Wunden des schwer verbrannten Ritters mit feuchten Tüchern, dann salbte der Alte dem Mann die Stirn mit Öl und murmelte die lateinischen Worte der Vergebung.
Sie wandte sich wieder Miklos zu, betrachtete sein verwüstetes Gesicht. Hatte er ebenso gelitten, als er sich diese Narben zugezogen hatte? Bisher hatte er sich geweigert, ihr davon zu erzählen. Wenig später brachte ein anderer Mönch zwei Töpfe, von denen einer mit Wasser und der andere mit wohlriechender Salbe gefüllt waren. Schweigend versorgte er Miklos. Er säuberte die Wunde, die aufgehört hatte zu bluten. Aus Salbe und Tuch stellte er einen Umschlag her, den er ihm um den Kopf wickelte. Miklos war immer noch bewusstlos, doch er atmete nun tiefer, als wäre er in gesünderen Schlaf gefallen.
Veronika dankte dem Mönch und nahm Miklos’ Hand wieder in die ihre. Mit der anderen Hand strich sie ihm sanft über die Stirn. Der verletzte Ritter ein paar Betten weiter wimmerte leise, das Gesicht von ihnen abgewandt.
Während die Stunden vergingen und die Gebete der Mönche wie ein tonloses Lied durch das Refektorium strömten, wurde sie müde. Mehrmals donnerten noch Kanonen vom Hafen her, doch am Nachmittag verstummten sie. Irgendwann verstummte auch das Wimmern des verbrannten Ritters. Die Mönche schlugen das Kreuzzeichen über seinem Leichnam und trugen ihn leise hinaus.
Miklos regte sich, als es draußen bereits dunkelte. Seine Lider flatterten. Er flüsterte Veronikas Namen.
Sie legte ihm die Hand auf die Brust. »Ganz ruhig. Ich bin hier.«
Er öffnete die Augen und versuchte, sich aufzurichten. »Was ist geschehen?« Er tastete nach dem Verband an seinem Kopf.
»Bleib liegen.« Sie lachte erleichtert auf und drückte ihn aufs Kissen zurück. Als der Ritter starb, hatte sie kurz geglaubt, ihr Herz wäre erstarrt, doch nun
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