Mondkuss
Licht eine unwirkliche Schönheit angenommen. Die Schönheit einer sternenklaren Nacht. Die Blüten ringsherum füllten die Luft mit ihrem wunderbaren Aroma. Aus den Lautsprechern erklang die Musik, die die Drei-Mann-Band zum Besten gab. Einige der Gäste – ebenfalls viel jünger als sie – hatten sich schon auf der improvisierten Tanzfläche eingefunden und tanzten ausgelassen. Interessiert beobachtete sie die jungen Leute, fühlte sich inmitten all der Ausgelassenheit uralt. „Je später der Abend, desto schöner die Gäste.“ Eine angenehme Stimme ließ sie herumfahren. Sie erblickte einen attraktiven Mann, der, wie alle anderen noch sehr jung war. Sie schätzte ihn auf Anfang zwanzig. „Suchen Sie jemand bestimmten?“ „Ich … Ja … Rafael.“ „Sie gehören zu Rafael? Sicher die große Schwester, oder?“ Sie zuckte zusammen. „Nun, ich habe ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Das letzte Mal war er mit Sarah in ein Gespräch vertieft, und nun scheint er wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Ich bin übrigens Sebastian, der Bruder von Sarah – dem Geburtstagskind“, fuhr der junge Mann fort. „Angenehm – Marleen.“ „Willkommen Marleen. Darf es etwas zu trinken sein? Unsere Eltern haben keine Kosten gescheut und den besten Partyservice der Gegend engagiert. Sie selbst machen Urlaub auf den Malediven – und wir haben sturmfreie Bude.“ Sie hörte Sebastian nur mit halbem Ohr zu, denn erstens beschäftigte sie seine Vermutung – dass sie Rafaels große Schwester sei – immer noch, und zweitens hatte sie gerade Rafael entdeckt. Sie ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen, fand es interessant ihn zu beobachten, ohne dass er davon wusste. Er war heiter und gelöst und bewegte sich frei unter all den jungen Menschen, von denen er alle zu kennen schien. Eine sehr hübsche, junge Blondine wich ihm kaum von der Seite. Stolz und mit blitzenden Augen hielt sie sich stets in seiner Nähe auf und legte immer mal wieder besitzergreifend ihre Finger auf seinen Arm. Sie sah umwerfend aus. Ihre schmale zierliche Figur steckte in einem knallroten Seidenkleid, welches zwar bis zu den Knöcheln reichte, aber durch einen gewagten Schlitz auf der rechten Seite sehr viel von ihren schlanken, gebräunten Beinen frei gab. Das Kleid hatte einen Carmen-Ausschnitt mit tiefem Dekolletee. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und selbstbewusst. Man sah ihr auf den ersten Blick an, dass sie ganz genau wusste, was sie wollte. Sebastian bemerkte ihren Blick. „Das ist Sarah. Sie studiert Kunst und tanzt in derselben Bar wie Rafael. Sind sie nicht ein schönes Paar?“ „Sie sind ein Paar?“ „Nun, ja … nicht direkt. Sarah ist schon seit Jahren in Rafael verliebt. Eine schlechte Erfahrung hält ihn derzeit allerdings ab, sich fest zu binden. Doch Sarah gibt nicht auf. Wollen wir tanzen?“ Marleen nickte automatisch. Seite an Seite schritten sie zu den anderen Pärchen, die sich auf der Tanzfläche befanden. Sebastian nahm sie in den Arm und führte sie geschickt durch die tanzenden Paare hindurch. Sie fühlte sich wie ein Dinosaurier unter frisch geschlüpften Küken, wünschte sich weit weg. Als sie spürte, dass Rafael sie entdeckt hatte und zu beobachten begann, lief ein Schauer über ihren Rücken. In dem gedämpften Licht sah sie seine Augen nachdenklich auf sich ruhen. Langsam kam er auf sie zu. Geschmeidig wie ein Raubtier, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Er tippte Sebastian auf die Schulter und ergriff ihre Hand. „Ich löse dich ab.“ Unwillkürlich löste sie sich aus Sebastians Armen, glitt in Rafaels über und schmiegte sich eng an ihn. Sie spürte Rafaels warmen Atem an ihrer Schläfe, nutzte die Gelegenheit, sich noch ein wenig enger an ihn zu schmiegen und nahm erfreut wahr, dass sein Griff fester wurde. „Schön, dass du gekommen bist, Prinzessin.“ Sie tanzten ganz langsam, ganz eng, und sie vergaß ihre trüben Gedanken und Sorgen. In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, sich vor Glück in kleine Moleküle aufzulösen. Beschwingt schlang sie ihre Arme um seinen Hals und wünschte sich, dieser süße Moment möge ewig dauern. Als die Band eine Pause einlegte, löste er sich von ihr. „Champagner?“ „Gern.“ Er nahm zwei Gläser von einem Beistelltisch, füllte sie mit Champagner, reichte ihr eines. „Wie fühlst du dich?“ Sie zuckte die Schultern, wich seinem Blick aus. Ihr gelang ein unbefangenes Lächeln, innerlich jedoch fühlte sie sich hohl. „Das da hinten ist
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