Mondkuss
Innenstadt. Eingängige Tanzmusik empfing Sabina, als sie eintrat. Der stampfende Rhythmus ging ihr sofort ins Blut und überfiel sie ebenso, wie die bunt tanzenden Lichter der Lichtorgel. Eine kleine, gut gefüllte Tanzfläche, eine Bar und Tische, die zum geselligen Beisammensein einluden – alles in allem eine Atmosphäre zum Wohlfühlen. Sie schlängelte sich zwischen den anderen Gästen hindurch, suchte und fand den richtigen Tisch und nahm Platz. Plötzliche Angst glomm in ihr auf. Sie fragte sich, ob es noch möglich war, das Date abzusagen. Sie war gerade im Begriff in ihrer Handtasche nach dem Handy zu kramen, als sie sah, wie ein eleganter, aber offensichtlich ebenso arroganter Mann auf sie zukam. Er sah gut aus, aber auf eine für sie unattraktive Weise. Zu aalglatt, zu geleckt und in sich selbst verliebt. Ihr Magen zog sich zusammen, und sie zwang sich, ganz ruhig zu atmen. Wenn dieser Mann Martin Wegener war, würde sie aufstehen und gehen. Er kam näher, war nur noch ein paar Schritte entfernt und wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu ihr zu sagen, als eine andere Stimme erklang. „Sabina?“ Der Mann war von rechts gekommen, und weil Sabina so sehr auf den arroganten Kerl links neben ihr geachtet hatte, war ihr der andere gar nicht aufgefallen. Bewusst wandte sie dem aalglatten Typ den Rücken zu, lächelte und nickte. „Martin?“ „Exakt!“ Sabinas Herz vollführte Luftsprünge. Die aufrechte Gestalt, das blonde Haar, die braunen Augen und sein umwerfendes Lächeln machten ihn zu einer Bilderbuchausgabe eines BlindDates. Er hatte ein gut geschnittenes Gesicht, sinnliche Lippen und einen weichen Glanz in den Augen. Ihr wurde warm bis in die Zehenspitzen, ihr Puls beschleunigte sich. Wenn Sabina ihm in seine ausdrucksvollen dunklen Augen sah, trat alles andere in den Hintergrund. Sie nahm nur noch den Mann an ihrem Tisch wahr, der gerade eine Flasche Champagner besorgt hatte und nun im Begriff war, zwei Gläser damit zu füllen. Die nächsten Stunden verflogen im Nu. Der Gesprächsstoff ging keine Minute lang aus, sie tanzten, lachten, flirteten. Sabina musterte ihr charmantes Date über den Tisch hinweg. Wie stellt eine Frau es an, einen interessanten Mann in ihr Schlafzimmer zu lotsen, ohne billig zu wirken? Diese Gedanken huschten Sabina immer wieder durch den Kopf – ganz gegen ihren Willen. Sie verstand auch nicht, was plötzlich mit ihr los war. Sex hatte immer eine eher untergeordnete Rolle bei ihr gespielt, und nun dachte sie ständig daran. Wartete sogar beinahe ungeduldig darauf, dass er sich ihr näherte. Der Champagner stieg ihr zu Kopf, prickelte in ihrem Blut und verstärkte den Rausch, den dieses männliche Etwas in ihr verursachte. Sie ließ ihren Blick über die Tanzfläche gleiten, auf der vergnügte Menschen tanzten. Dann sprang sie auf. „Wie wär’s?“ Sie reichte ihm die Hand und erkannte sich selbst kaum wieder. Sie, die zurückhaltende Künstlerin übernahm die Initiative. Martin erhob sich. „Wie könnte ich einer so schönen Frau einen Wunsch ausschlagen?“ Sie hielt den Atem an, als er sie am Ellbogen fasste und zur Tanzfläche führte. Das dünne Seidenkleid war nicht mehr als eine kaum wahrnehmbare Barriere, als er sie umfasste und sich mit ihr zur Musik drehte. Sie genoss seine warme Hand an ihrem Rücken. Das Schicksal meinte es gut mit ihr, denn in diesem Moment wurde ein langsamer Titel aufgelegt. Eine Ballade, sehr gefühlvoll und das Richtige für Paare, die auf Tuchfühlung gehen wollten. Eine bessere Gelegenheit hätte nicht kommen können, fand Sabina. In diesem Moment wurden alle Mädchenträume von ihr wahr. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, ließ sich von ihm wiegen, und sie schien genau zu wissen, wie sie sich im Einklang mit diesem wunderbaren Mann bewegen musste. Sabina spürte seinen warmen Körper. Ihr wurde heiß bei dem Gedanken, wie himmlisch es sich wohl anfühlen mochte, wenn sie beide ohne die dünnen Lagen Stoff miteinander tanzen würden, die ihre Haut jetzt noch voneinander trennten. Die Musik riss sie mit und das rote Licht, das die Tanzfläche flutete, schuf eine unwirkliche, intime Atmosphäre. Wie im Rausch lag sie in seinen Armen, hörte seine tiefe Stimme über ihrem Kopf, als er leise mitsummte. Die feste Brust, an die sie sich schmiegte, vibrierte leicht, und sie nahm den angenehm dezenten Duft seines Rasierwassers wahr. Sanft fuhr sein Daumen über ihren Nacken, und Sabina hätte am liebsten glücklich aufgeseufzt.
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