Mondkuss
Sie warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, straffte die Schultern und zischte: „Was willst du? Und was fällt dir ein, dich mit einem derartig schamlosen Trick bei mir einzuschleichen? Oder willst du mir jetzt etwa weismachen, dass du dringend die Hilfe eines Anwaltes benötigst?“
Er grinste unverschämt. „Mal im Ernst, hättest du einem Wiedersehen zugestimmt, wenn ich dich angerufen hätte?“ „Nein.“ „Siehst du. Also blieb mir lediglich dieser kleine Trick.“ „Eins zu Null für dich, aber das wird dich auch nicht weiter bringen, denn dies wird unsere letzte Begegnung sein.“ „Da bin ich mir nicht so sicher.“ Er ließ seinen Blick unverfroren über ihre Gestalt gleiten. „Dennoch werde ich diese Stunde auskosten. Schließlich bezahle ich für die Zeit, die ich dich in Anspruch nehme. Wie ein normaler Mandant.“ „Von dir nehme ich kein Honorar.“ „Schon erledigt.“ „Meine Sekretärin wird es dir zurückgeben.“ „Nein, danke.“ Rafael lächelte gelassen und blickte sich interessiert um. Ihr Ärger wuchs. „Also, was willst du?“ Er verneigte sich mit einem schelmischen Grinsen, setzte sich ihr gegenüber und streckte seine langen Beine aus, die in schwarzen Lederhosen steckten. „Sorry, dass ich dich so überfalle. Aber ich wollte dich so schnell wie möglich wieder sehen. Schlimm?“ Wie er so dasaß, ganz selbstverständlich und mit frech funkelnden Augen, das hatte etwas, was unter die Haut ging. Ihr Herz hämmerte, und nur mit Mühe konnte sie ein Lächeln unterdrücken. In ihrem Innern kämpften Wut und Freude, äußerlich allerdings zwang sie sich zur Ruhe. „Nun, ich bin überrascht.“ „Überrascht … na, das ist doch immerhin ein Anfang. Zumindest bist du mir nicht böse. Auch wenn es mir wesentlich besser gefallen hätte, wenn du statt überrascht, unendlich erfreut wärst.“ Seine Augen flirteten mit ihr, was sie tunlichst zu ignorieren versuchte. Sein undefinierbarer Blick tauchte in den ihren ein. Ihre Verwirrung wuchs. Er hatte die Kontrolle über sie und die ganze Situation gewonnen – und das war ungewöhnlich, denn meistens war sie diejenige, die die Kontrolle besaß – vor allem in ihrem Büro. „Weißt du eigentlich, dass ich deinen wunderschönen Augen hoffnungslos verfallen bin? Außerdem hast du einen Kussmund, der allerdings wesentlich positiver zur Geltung käme, wenn du deine Lippen nicht so heftig zusammenpressen würdest.“ „Und du hast ein vorlautes Mundwerk.“ Rafael brach in schallendes Gelächter aus. „Hab ich das? Nun, ich sage lediglich die Wahrheit. Und du kannst anscheinend nicht mit Komplimenten umgehen.“ „Das kann ich sehr wohl. Nur habe ich ein Problem damit, wenn man sich als Mandant bei mir einschleicht und …“ Sie brach ab. „Ja?“ „Du weißt sehr wohl, was ich meine.“ „Ich weiß nur, dass ich dich gerne näher kennenlernen würde.“ Verlegen wich sie seinem Blick aus. Sie hatte das Gefühl, das sonst die Gefahr bestand, auf der Stelle wie Butter in der Sonne zu zerschmelzen. Schnell erhob sie sich, griff nach ihrer leeren Kaffeetasse. „Darf ich dir einen Kaffee anbieten?“ „Gern.“ Mit zitternden Händen reichte sie ihm seine Tasse und vermied es, seinem Blick zu begegnen. Bevor sie sich wieder setzte, strich sie kurz über ihren Rock. Zum Glück hatte sie heute Morgen ihr smaragdgrünes Kostüm angezogen, welches ihr hervorragend stand. Dies gab ihr zumindest ein klein wenig das Gefühl von Sicherheit während seiner Anwesenheit. Wie ein Raubtier verfolgte Rafael ihre Bewegungen. „Was willst du von mir?“ Ihre Stimme zitterte. „Weißt du das immer noch nicht?“ „Ich mag es nicht, wenn eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet wird.“ „Wenn du mir die Chance auf ein Wiedersehen gibst, werde ich mir dies hinter meine Ohren schreiben.“ „Du gibst wohl nie auf, was?“ „Nur, wenn es offensichtlich aussichtslos scheint. Und da ich es unendlich genieße, mich in deiner Gegenwart aufzuhalten, klammere ich mich natürlich an den Strohhalm Hoffnung und daran, dass eine winzige Chance auf ein Wiedersehen besteht.“ Marleen öffnete den Mund, um etwas Bissiges darauf zu erwidern, doch sie brachte keinen Laut hervor. Rafaels Blick fixierte sie … verwirrte … war gnadenlos. „Ich hatte letzte Nacht übrigens einen schönen Traum“, unterbrach Rafael die Stille, in der eine geraume Zeit lang lediglich das Ticken der großen Wanduhr zu hören gewesen war. „Ich habe eine Göttin gesehen. Sie
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