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Mondkuss

Mondkuss

Titel: Mondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Martini
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Sie wollte schrankenloses Erleben, verrucht und herrlich anders sein und konnte sich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass es auch noch eine andere Marleen gab, die festen Boden unter den Füßen liebte, Angst vor Kontrollverlust hatte und Veränderungen verabscheute. Die milde Abendluft hüllte sie ein, legte sich um sie wie ein seidiger Komplize, ein Begleiter der Nacht. Ihre Sinne waren geschärft. Sie begann ihre Umgebung ungefiltert und intensiv wahrzunehmen: Die jungen, leicht bekleideten Frauen, Männer jeden Alters – entweder in Maßanzügen oder in Lack und Leder, Touristen, Bassgedröhne aus einer Bar, flackerndes Licht – obwohl es noch nicht dunkel war, Gesprächsfetzen, Parfumgeruch, Lachen, verschiedene Rhythmen und Töne, in die Jahre gekommene Frauen in knappen Bustiers und Miniröcken und vieles mehr. Die Luft war voller Töne und Gerüche, lebte … leichtfüßig … leichtlebig. „Schön, dass du gekommen bist.“ Mit Herzklopfen, glühenden Wangen und wachem Blick wandte sie sich um und verlor sich in Rafaels ebenmäßiges Gesicht, in seinen schönen Augen und nahm seinen Geruch wahr. Er ließ seinen anerkennenden Blick über ihre Gestalt gleiten, was sie freute. Dann streckte er seine Hand nach ihr aus, die sie ergriff. In seinen Augen blitzte es auf. Sanft drehte er ihre Handflächen nach oben, zog sie an seine Lippen und presste seine Lippen hinein. Seine feste Zunge schlängelte sich in wildem Muster und voller Versprechungen ihren Unterarm entlang und wieder zurück. Dann ließ Rafael sie los, küsste seine Fingerspitzen und legte sie ihr auf die bebenden Lippen. Marleen schaffte es nicht, ihren Blick von seiner attraktiven Gestalt abzuwenden. In ihrem Magen kribbelte es. Sie starrte ihn unverhohlen an, lächelte unsicher und war froh, als er ihren Arm nahm und mit ihr die Taunusstraße entlangflanierte. Rafael trug eine bordeauxfarbene Lederhose, schwere schwarze Schuhe und ein ebenfalls schwarzes Seidenhemd. Erneut stellte sie fest, dass dieses Outfit so gar nicht ihrer Vorstellung von Kleidung und Stil entsprach. In Kombination mit seiner beinahe femininen Schönheit gefiel es ihr jedoch ausgesprochen gut – zu gut. Ihre Sinne waren allesamt auf diesen träumerischen jungen Mann ausgerichtet, ihr wurde flau im Magen, und sie ertappte sich dabei, wie sie ihn immer wieder von der Seite betrachtete, sich nicht an ihm satt sehen konnte. Das Abenteuer begann und der feste Boden unter ihren Füßen, auf dem sie sich bisher stets bewegt hatte, schien sich in Luft aufzulösen. In der Straße gab es einige sehr gute Restaurants, die preislich zwar teurer waren, aber auch etwas für ihr Geld boten, ebenso einen Sex-Shop mit angeschlossenem Bordell und ein Sexkino. Die Eindrücke dieser berühmt-berüchtigten Straße prasselten bunt und vielfältig auf sie nieder. Ruhige Ecken, dann plötzlich überall aufgekratzte Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Ein buntes Völkchen aus Huren, Junkies, Hütchenspielern. Die Szene hatte den plüschigen Charme der Strip-Läden entdeckt und veranstaltete hier ihre Partys. Gruppen junger Menschen hockten auf Treppenstufen, Pappbecher mit Getränken in den Händen. Blinkende Reklameschilder, schummrige Bars, türkische Läden, ein Kiosk, ein Schuhladen, weitere Amüsierbetriebe und das Bürohaus der Dresdner Bank gaben sich ein buntes Stelldichein. Die Taunusstraße war trotz aller Gerüchte eine sehr interessante Straße, in der sich vielschichtige Menschen tummelten, vom Banker über den Bassisten, vom Junkie bis zum Dealer, von der Puffmutter bis zur Bordellangestellten und jede Menge Touristen, die mit weit aufgerissenen Augen diese Straße betrachteten. Rafael schien ein bestimmtes Ziel anzusteuern. Vor einer Table-Dance-Bar, die in eine der Seitenstraßen lag, machte er Halt. Eine dralle Blondine im Minirock und Netzstrümpfen lächelte Rafael zur Begrüßung zu, offensichtlich bemüht, ihn oder andere in die Bar zu locken. Marleen folgte Rafael in die schummrige Bar. Ein eigentümlicher Geruch lag in der Luft. Angenehm, aber seltsam schwer und zu Kopf steigend. Stimmengewirr, Gläserklingen, das Klacken von Absätzen, Lachen, helle Frauenstimmen, sinnliche Musik und eine erhöhte Tanzfläche, auf der sich eine junge Frau aufreizend an einer Tanzstange bewegte. Die Zeit des Vergnügens und des Leichtsinns hatte begonnen. Die zahlreichen Gäste tanzten, lachten, tranken. Das Innere der Bar wurde durch unzählige Lichterketten und

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