Mondkuss
schon jetzt etwas bedeutet, der mir nahe kommt. Beinahe schon zu nah. Es steckt eine gehörige Portion Selbstschutz dahinter.“ „Keine andere Frau? Eine jüngere?“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, hätte sie sie am liebsten zurückgenommen. Sie schämte sich. Rafaels Daumen liebkoste ihr Kinn. „ Nein, eine andere Frau ist es nicht. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.“ Minuten voller Schweigen. Minuten, in denen Marleen das Schlimmste befürchtete. War sie ihm zu viel? Hatte er genug von ihr? Oder war sie ihm plötzlich doch zu alt? Rafael, bitte sag was. Irgendwas. Bitte. Sie hörte ihn seufzen. Dann begann er zu reden. „Es ist nicht einfach für mich. Ich wollte mich nie wieder auf einen Menschen einlassen, niemanden mehr so nah an mich herankommen lassen. Doch dann begegnete ich dir und konnte mich nicht wehren gegen diese unabwendbare Anziehungskraft. Erfreute mich daran, empfand aber auch Angst. Ich nahm mir vor, die Euphoriebremse zu treten, um nicht zu fallen … denn je höher man fliegt, umso tiefer fällt man. Und es ist nun mal eine Tatsache, dass sich unsere Lebensweisen gravierend voneinander unterscheiden. Ich bin ein Stripper, stehe spät auf und liebe das Nachtleben in der City. Du bist eine erfolgreiche Anwältin, eine Frühaufsteherin mit geregeltem Ablauf.“ Marleens Herz klopfte zum Zerspringen. „Ist das ein Problem für dich?“ „Für mich nicht.“ Er blickte sie nachdenklich an. „Aber vielleicht für dich!?“ Sie schlang die Arme um seinen Hals, presste sich an ihn. „Niemals!“ „Bist du sicher?“ „Mehr als sicher.“ „Eine Anwältin und ein Stripper … der Gedanke schreckt dich nicht ab?“ „Solange ich weiß, dass ich die Einzige für dich bin, nicht.“ Rafael zuckte kurz zusammen, dachte nach. Leichte Panik überfiel ihn. Diese Person kam ihm nah – fast schon zu nah. Berührte ihn in seiner Seele, wurde mehr für ihn als eine aufregende Geliebte – sondern eine Frau, deren Gegenwart ihn berauschte. Schnappte die Falle nun zu? Sollte er weitergehen, oder es dabei belassen? Er blickte ihr tief in die Augen, verzog keine Miene. Indem sie ihre Verletzlichkeit offenbart hatte, hatte sie das Tor, das er eigentlich verschlossen halten wollte, mit wehenden Fahnen aufgestoßen. Er entschied sich dafür, dass diese Frau es wert war. Er wollte sich weiter vorwagen, sie von der Peripherie in seine Mitte lassen. In sein Inneres, da, wo er verletzbar war, wo es keine Grenze gab, die ihn davor schützte, verletzt zu werden. Er lächelte, nahm sich vor, seinen Job als Callboy in der nächsten Zeit zu reduzieren, eventuell für eine Weile stillzulegen. „Da gibt es keine neben dir.“ „Das wollte ich hören.“ Sie lachte befreit auf, rutschte von der Motorhaube. Rafael sagte nichts, schaute ihr mit einem leichten, nachdenklichen Lächeln auf den Lippen tief in die Augen. Heiß und kalt rann es ihr den Rücken herunter, ihr Mund wurde trocken, und ihr Herz klopfte bis zum Hals. Wohlige Schauer durchliefen ihren Körper. Ihre Knie wurden weich wie Pudding, doch bevor sie einknicken konnte, umfasste Rafael ihre Schultern und zog sie langsam an sich. Wie im Rausch schloss sie die Augen und gab sich ganz dem süßen Gefühl hin, welches sich schlagartig in ihr breit machte. Atemlos öffnete sie die Lippen, und während sie sich noch sehnsüchtig wünschte, er möge sie endlich küssen, spürte sie, wie sich seine Lippen auf die ihren pressten. Seine Zunge begann zunächst die Konturen ihrer Lippen zu umfahren, verschaffte sich dann mit Nachdruck einen Weg ins Innere und forderte ihre Zunge zum Duell. Er umfasste ihren Nacken, bog ihren Kopf zurück und grub seine Zähne spielerisch in ihren Hals. Langsam begann er die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen, streifte sie ihr über die Schultern. In seinen Augen blitzte es auf, als er seinen Blick über ihre Brüste gleiten ließ, die nur noch von zarter Spitze bedeckt waren. Er griff unter ihren Rock und zerriss mit einem Ruck ihr Spitzenhöschen. „Das brauchst du jetzt nicht. Außerdem ist es nass … klitschnass.“ Sie warf den Kopf in den Nacken, keuchte. Seine Finger hinterließen eine glühende Spur auf ihren Hüften, ihren Schenkeln und ihrem Gesäß. Da stand sie nun – nur ein paar Meter von der Kanzlei entfernt auf dem Firmenparkplatz – mit hochgeschobenem Rock, halterlosen Strümpfen und ohne Höschen. Normalerweise sollte sie diese Tatsache schockieren. Die Angst, entdeckt zu werden, müsste
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