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Mondkuss

Mondkuss

Titel: Mondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Martini
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dir? Vor Rafael? Oder vor deinen Prinzipien?“ „Ich weiß es nicht. Allgemein. Vor allem und jedem.“ „So erging es mir auch … beim ersten Mal.“ „Macht ihr das öfter … ich meine Gruppensex?“ „Nein. Es hat sich heute Nacht so ergeben. Und ich nehme es als wundervolles Geschenk und Abschluss für einen Abend, an dem einfach alles passte. Ich kann mich aber noch sehr gut daran erinnern, wie es mir erging. Beim ersten Mal.“ „Wann war das? Und mit wem?“ „Es war zu der Zeit, als ich auf Leonards Deal einging.“ Helena begann zu erzählen. „Gleich mit zwei Frauen? Hast du dich danach auch gefragt, ob deine sexuelle Ausrichtung gerade Kapriolen dreht, oder ob eine gewisse Bisexualität unbemerkt in jedem schlummert?“ Sie atmete hörbar aus. „Ich stehe auf Männer. Sex mit Frauen war nie ein Thema für mich. Und nun … ich meine … ich habe es genossen. Wie passt das zusammen?“ „Eine Erklärung dafür habe ich nicht. Ich habe aber begonnen, mich mit der Literatur zu diesem Thema zu beschäftigen. Viele Wissenschaftler und Psychologen arbeiten mit der Hypothese, dass alle Menschen mehr oder weniger bisexuell veranlagt sind und ihre sexuelle Orientierung im Laufe ihres Lebens erst entwickeln – in die eine oder andere Richtung. Oder eben in beide. Sex mit beiden Geschlechtern gab es bereits in den alten Kulturen. Für die alten Griechen und Römer war es noch eine Selbstverständlichkeit, dass Männer sowohl für männliche als auch für weibliche Reize empfänglich waren. Es wurde eine siebenteilige Skala eingeführt, die von ausschließlich heterosexuellem Verhalten mit der Ziffer 0 bis zu ausschließlich homosexuellem Verhalten mit der Ziffer 6 reichte. Wer nach dieser Skala eine Drei bekam, wurde bereits als bisexuell, wer eine Fünf bekam, wurde als ein kleines bisschen bi eingestuft. Keine verlässlichen Prognosen für die Zukunft, denn wer bis gestern ‚schwul’ war, kann schon morgen seine Traumfrau treffen. Der glücklich verheiratete Ehemann kann als Rentner entdecken, wie verführerisch Männer sein können – ohne dass ihn Frauen dann kalt lassen müssen.“ „In der Theorie hört sich das alles einleuchtend und okay an. Ich selbst allerdings fühle mich gerade im Niemandsland.“ „Das vergeht.“ „Meinst du?“ „Ich weiß es. Ebenso, wie die Unsicherheiten vergehen, die uns in der Pubertät heimsuchten.“ Helena lachte. „Meine Eltern haben mich nicht aufgeklärt. Stattdessen habe ich die Dr. Sommer Seiten der ‚Bravo’ inhaliert. Fremde Welten entdeckt – wohlgemerkt in der Theorie – und mich dabei gefühlt, als wäre ich ein Lebewesen von einem anderen Stern.“ „Genauso fühle ich mich jetzt.“ Marleens Miene war düster, erhellte sich aber bei ihren weiteren Worten. „Ich gestehe, auch ich habe ‚Bravo’ gelesen! Ich war, wie du, ganz besonders auf die Ecke von Dr. Sommer neugierig, die immer wieder darüber aufklärte, dass man vom Küssen nicht schwanger werden kann. Das alles wurde damals todernst mit offenem Mund studiert und in den Pausen heimlich ausgetauscht.“ „Ja, genau! Ich habe damals sogar einen Leserbrief geschrieben. Natürlich unter falschem Namen, damit keiner ahnt, dass ich es war.“ Marleen fiel in ihr Lachen ein. „Im Ernst?“ „Oh, ja. Und ich habe sogar Antwort bekommen auf meine Frage, wie man sich verhalten soll, wenn ein Junge mehr als einen Kuss will – nämlich Petting.“ Die folgende Stunde war ein Potpourri aus Erinnerungen an die Pubertät, Jugendzeit und erste Liebe. Eingehüllt in Wolldecken saßen sie auf der Terrasse und spürten erst eine gewisse Bettschwere, als es bereits zu dämmern begann.

Kapitel Einundzwanzig
    Die darauffolgenden Tage erlebte Marleen wie im Rausch. Rafael stahl sich mehr und mehr in ihr Herz, versüßte ihre Tage, ihre Nächte. Ihre Gedanken und Empfindungen purzelten wild durcheinander, beflügelten sie und gaben ihren Augen einen Glanz, der nur den Verliebten eigen war. Noch nie zuvor hatte sie derartig empfunden, noch nie war ihr Herz so ausgefüllt, gleichzeitig schwer und doch wolkenleicht. Der Zauber Rafael legte sich über jede Pore, drang hinein und verführte ihre Sinne.
    Ihr Innerstes verlangte sehnsüchtig nach ihm, wenn er nicht bei ihr war, gierte nach heißen Küssen, Lust und Leidenschaft, wenn sie ihn nur erblickte. Allein der Gedanke an ihn ließ ihren Magen rumoren und ihre Träume erotisieren. Ähnlich erging es Rafael. Er begehrte und verehrte sie mit jedem Mal

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