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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Leben von ihm abhing.
    Seine Leute glaubten die Geschichte von der plötzlich aufgetauchten Nichte ohnehin nicht; sie nahmen an, sie sei seine Geliebte.
    »Warum«, fragte sie ihn, »habt Ihr mich eigentlich nicht einfach töten lassen, als ich das mit Muhammad erzählte?«
    »Im Gegensatz zu dem, was jedermann zu glauben scheint«, antwortete er ausdruckslos, »bereitetes mir keine besondere Freude, die Kinder meines Bruders umzubringen.«
    Nirgendwo lange zu bleiben, hatte auch seine Vorteile. Noch nie in ihrem Leben war Layla so viel gereist, und auch wenn sie den Gedanken schnell wieder verdrängte, kam es ihr vor, als gebe ihr das Schicksal die Gelegenheit, etwas sehr Kostbares noch einmal vor seinem Untergang zu sehen.

    Sie war nicht die Einzige, die so empfand. Die Stimmung bei al Zaghals Gefolgsleuten war von der verzweifelten Fröhlichkeit, die die Hoffnungslosigkeit mit sich bringt. Nach Malaga machte sich niemand mehr Illusionen über das, was Granada erwartete.
    Kurzfristig verschaffte das al Zaghal wieder mehr Unterstützung bei der Bevölkerung, die, kriegsmüde, wie sie war, sich vorher eher Muhammad zugeneigt hatte. Während der Monate, in denen seine Überfälle auf Murcia, Segura, Jaen die christliche Armee genügend zersplitterten, um einen neuen großen Feldzug zu verhindern, und sogar einige der von den Christen eroberten Städte zu Aufständen ermutigten, gab es durchaus Zeiten, in denen Layla dachte, es wende sich vielleicht doch wieder alles zum Besseren. Doch im Grunde wusste sie es besser, und sie ahnte, dass auch al Zaghal es wusste.
    »Warum verbündet Ihr Euch nicht noch einmal mit Muhammad?«, fragte Layla ihn eines Abends, als sie nicht mehr weit von dem Mittelteil Granadas, den Muhammad beherrschte, entfernt waren. Al Zaghal verzog das Gesicht.
    »Wozu? Dann könnte ich mich gleich an die Christen wenden.
    Das erspart Umwege. Muhammad hat sich völlig in ihre Gewalt gegeben.«
    »Das war vor Malaga«, sagte sie.
    Er runzelte die Stirn und erklärte, er wolle nicht darüber sprechen. Diesmal war sie nicht in der Stimmung, zu streiten. Sie holte sich die qitar, die er irgendwo für sie aufgetrieben hatte, und spielte eine zögernde, kleine Melodie. Al Zaghal hörte schweigend zu und verlor seine angespannte Haltung. Erst als der letzte Ton verklang, richtete er sich wieder steif auf. Sie konnte es sich nicht versagen, ihn ein wenig zu necken.
    »Seid vorsichtig, Onkel. Eben habt Ihr ganz menschlich gewirkt. Wenn das noch öfter geschieht, wird es heißen, der furchtbare al Zaghal finde Geschmack am angenehmen Leben und verwandle sich doch tatsächlich in einen annehmbaren Gesellschafter.«
    Einen Moment lang schien es, als wolle er aufbrausen, doch statt wütend zu werden, lachte er. »Deswegen«, erwiderte er und sah sie sehr genau an, »kann ich dich auch nicht aus den Augen lassen. Wer weiß, was du sonst für Gerüchte verbreiten würdest. Mein Ruf bei meinen Feinden wäre für immer dahin.«
    Diesmal lachten sie beide, und Layla ertappte sich bei dem Gedanken, dass es in der Tat nicht unangenehm war, mit ihm zusammen zu sein.

    In der Nacht ging sie noch ein wenig spazieren, verschleiert, aber allein. Der Krieg hatte sehr viele Regeln außer Kraft gesetzt. Die Gegend, in der al Zaghals Trupp sich befand, war zur Abwechslung nicht gebirgig, höchstens hügelig, doch von weiten Ebenen unterbrochen; Almeria war nicht weit, und dies war das Land der Feigenbäume.
    Feigen standen überall an den Seiten der wenigen Straßen des Ortes, und schließlich griff Layla nach einem Zweig. Er erwies sich als ein wenig zu hoch für sie.
    »Gestattet mir.« Einer von al Zaghals Soldaten pflückte ihr eine Feige. Als er sie ihr mit einer Verbeugung überreichte, erkannte sie Jusuf.
    »Ich will nicht mit dir sprechen«, sagte sie eisig. Er lehnte sich gegen den Baumstamm.
    »Das habe ich bemerkt. Ich frage mich nur, weswegen? Du bist undankbar, weißt du das, Layla? Ich habe dir immer alle Wünsche erfüllt, einschließlich einer Reise nach Granada in Kriegszeiten, und was ernte ich dafür? Tödliche Blicke, wann immer ich auftauche. Und finstere Drohungen. Du hättest den armen Rabbi Abraham wirklich nicht belästigen sollen. Er macht sich jetzt noch Gedanken, was mit dir nicht stimmt.«

    »Was mit mir nicht stimmt«, erwiderte Layla erbittert, »ist, dass ich einen Ifrit am Hals habe, der sich nicht scheut, sogar kleine Kinder anzufallen.«
    Er schien aufrichtig überrascht und sie wäre ihm am

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