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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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liebsten ins Gesicht gesprungen. Dann wurde seine Miene auf einmal undurchsichtig.
    »Ich habe deinem lästigen Schützling nichts genommen«, sagte er lauernd. »Nicht für mich.«
    »Was soll das heißen, nicht für dich?«
    »Denk nach.« Er stieß sich von dem Baum ab und kam näher.
    »Ich brauchte doch etwas, mit dem ich dich wieder auf die Beine bringen konnte.«
    »Nein«, sagte sie.
    »Gewiss. Layla, eine Verschmelzung ist immer kräfteraubend, aber was vorher geschah, hat mich leider etwas aus dem Gleichgewicht gebracht, sodass ich dir aus Versehen zu viel Leben auf einmal entzog. Leben, das ersetzt werden musste.«
    »Nein.«
    »Ich hätte es dir nicht erzählt, aber du wolltest es unbedingt wissen. Neugier tötet die Katze, Layla.«
    »Ich glaube dir nicht«, beharrte sie und bemühte sich, ruhig zu atmen. »Warum solltest du mir zu mehr Leben verhelfen? Du willst mich doch töten oder etwa nicht?«
    Er ging nicht darauf ein. Stattdessen zog er eine Strähne von ihrem Haar unter dem Schleier hervor und wickelte sie sich um den Finger. »Mir scheint, damit stehe ich nicht allein, nicht wahr? Der steinerne Held dort drüben lässt dich ebenfalls am Leben. Möchtest du wissen, weshalb… kleine Katze?«
    »Weshalb?«, fragte Layla, wider Willen neugierig. Jusuf lächelte und betrachtete ihr Haar.
    »Es gibt viele Gründe, und ich werde sie dir alle anbieten, damit du dir einen heraussuchen kannst… wie eine Orangenscheibe.
    Vielleicht erinnerst du ihn an seinen Bruder, und obwohl er sonst nie rührselig war, stellte Ali immer al Zaghals Schwäche dar. Vielleicht entdeckt unser hervorragender Kämpfer auch jetzt, da er seinen Tod mit jedem Tag näher kommen spürt, dass Blutsverwandte an seiner Seite etwas für sich haben, und da er keine Kinder hat, füllst du eine Lücke. Oder… die aufschlussreichste Möglichkeit von allen… die Nähe des Todes hat noch etwas anderes bewirkt. Er hat gelernt, deine Gegenwart zu schätzen… die Gegenwart einer jungen Frau. Ständig ein sechzehnjähriges Mädchen um sich zu haben…«
    Sie machte sich los. Was er da andeutete, verstieß gegen die grundlegendsten Gesetze von Christen und Moslems gleichermaßen, und sie war zu entsetzt, zu zornig und zu überwältigt, um eine passende Antwort zu finden. Er packte sie bei den Schultern und legte seine Hände um ihren Hals. In einem Winkel ihres Verstandes nahm sie wahr, dass sie ihn noch nie so aufgewühlt gesehen hatte, so… lebendig.
    »Aber deine Nähe ist alles, was er je bekommen wird, verstehst du, Lucia?«
    Einen Augenblick lang war es ihr, als hörte sie ihn sogar atmen - schnell atmen -, dann verschwand er, wie er es immer gerne tat. Aber diesmal beschäftigte sie etwas anderes viel mehr.
    Layla hob die Feige auf, die sie vorhin fallen gelassen hatte, und lief bestens gelaunt zu al Zaghals Quartier zurück. Sie hatte die erhebende Entdeckung gemacht, dass Jusuf eifersüchtig war.

    Don Rodrigo Ponce de Leon, Marquis von Cadiz, war gerade von der Unterdrückung eines Aufstands in Gausen zurückgekehrt, als ihn der König und die Königin zu sich riefen. Anschließend ließ er sich seine Gemächer zeigen und stellte zu seiner Freude fest, dass zwei seiner Söhne bereits dort auf ihn warteten. Die meisten dienten in verschiedenen Armee-Einheiten, doch Diego und Juan gehörten beide zur Leibgarde der Königin.
    Nachdem sie sich begrüßt hatten, erkundigte sich Diego nach den letzten Unternehmungen seines Vaters.
    »Gausen, pah!«, sagte der Marquis mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Die Mauren dort haben gar nicht mehr den Mumm, um es mit uns aufzunehmen. Aber kaum war ich dort angelangt, hörte ich, dass dieser Bastard al Zaghal meine Abwesenheit ausgenutzt hat, um erneut in Murcia einzufallen. Ich verfolgte ihn volle zwei Monate durch die Berge, bis der Befehl der Königin mich zurückrief. Dabei hätte ich ihn beinahe gehabt. Aber das macht nichts. Wir werden etwas viel Besseres bekommen.« Selten hatte der Marquis so vergnügt gewirkt.
    »Ratet, meine Söhne!«
    »Ein neuer Feldzug«, sagte Diego prompt. Juan schwieg, was seinen Vater aufmerksam werden ließ. Sein jüngster Sohn hatte sich im letzten Jahr verändert; er hatte seine Spontaneität verloren und wirkte beinahe grüblerisch, ein höchst beunruhigender Anblick.
    »Juan«, sagte Don Rodrigo streng, »stimmt etwas nicht?«
    Diego grinste. »Er trauert immer noch seiner kleinen Maurin nach.«
    Sein Bruder warf ihm einen giftigen Blick zu. »Halt den

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