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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Ibn al Farra al Akhfasch Ibn Maimun, hatte dem zweiten jüdischen Wesir von Granada einige Verse gewidmet:

    »Nütze ihm, und dir wird Hoffnung und Wohlstand begegnen und du wirst in seiner Halle die Schönheit der Sonne im Zeichen des Widders finden. Ein Freund fand in ihm nie die kleinste Schwäche; er wandelte sich nicht, so sehr sich auch die Zeiten änderten.«

    Natürlich wusste Layla, dass ihr Beschreibungen des lebenden Jusuf wenig bei dem Wesen helfen würden, das sie kannte.
    Aber sie war neugierig und außerdem hatte ihr Jusuf unabsichtlich gezeigt, dass sie eine Waffe gegen ihn in der Hand hatte.
    Die Erinnerung an den Abend, als sie zum ersten Mal mit Juan getanzt hatte, kam ihr in den Sinn. Das hatte ihm nicht gefallen und ihre Aufmerksamkeit al Zaghal gegenüber noch weniger.
    Kein Zweifel, er war eifersüchtig, und wenn sie sich häufig in al Zaghals Nähe aufhielt, konnte sie dem Ifrit zeigen, dass sie weder sein Eigentum war noch Angst vor seinen Drohungen hatte.
    Ein wenig hoffte Layla auch, dass ihn dieses Verhalten dazu bringen würde, sich bald wieder blicken zu lassen, denn obwohl sie es ungern zugab, empfand sie etwas für ihn. Was genau das war, ließ sie lieber im Dunkeln, aber sie fühlte sich lebendiger, wenn er in der Nähe war, und sie vermisste ihn. Doch sie schwor sich, ihn nicht wieder zu rufen; ganz gleich, ob er hinsichtlich Suleiman gelogen oder die Wahrheit gesagt hatte, sie wäre beinahe gestorben, und hier in Guadix, wo es keine Familie ohne Tote oder Verwundete gab, wurde es ihr immer wichtiger, am Leben zu sein.
    Doch der Tod hatte seine unbestreitbare Anziehungskraft. Sie fragte sich, ob Jusuf mit Tariq sprechen konnte oder mit ihren Eltern. Sie hatte ihn nie danach gefragt, und sie würde es auch nie tun, denn er war durchaus imstande, die Toten für sie heraufzubeschwören, mit all ihren Vorwürfen und Anklagen, mit all ihrer Liebe.
    Eine entsetzliche Vorstellung.
    Eine verführerische Vorstellung.
    Nein, sie würde Jusuf nie nach den Toten fragen.

    Das Zelt, in dem man die Königin von Kastilien untergebracht hatte, war auf ihren eigenen Wunsch hin weder besonders groß noch besonders prunkvoll. Fernando hatte eine Schwäche für den Pomp und die Pracht, die ein König entfalten konnte, sodass sie sich auch hierin ausglichen: Isabella überließ ihrem Gemahl die eindrucksvollen Zeremonien und galt ihrer asketischen Gewohnheiten wegen inzwischen fast als Heilige, ohne dass man ihr vorwerfen konnte, geizig zu sein.
    Fray Hemando die Talavera, der die kniende Frau vor ihm voller Zuneigung betrachtete, argwöhnte allerdings, dass ihre Sparsamkeit in diesen Zeiten weniger der Frömmigkeit als ihrer natürlichen Begabung zum Rechnen und für die Verwaltung entsprang. Die monatelange Belagerung von Baza hatte ihren Tribut gefordert. Er bemerkte, dass Isabella nicht länger aufmerksam war, als er ihre Buße nannte, und räusperte sich.
    »Euer Hoheit?«
    Die Königin von Kastilien fuhr zusammen und blickte schuldbewusst drein, was Talavera sofort argwöhnisch werden ließ. Er kannte sie. Wenn sie sich wie ein kleines Mädchen gab, hatte sie etwas zu verbergen. Er entschied sich, direkt vorzugehen und sie nach etwas zu fragen, das ihm auf der Seele lastete.
    »Meine Tochter«, nur er als ihr Beichtvater hatte das Recht, sie so anzusprechen, »ich konnte nicht umhin, zu bemerken, dass Fray Tomas de Torquemada vorhin bei Euch war. Seit seiner Ankunft frage ich mich, welche Aufgaben er als Großinquisitor wohl bei einem so heiligen Heer wie dem unseren erfüllen könnte.«
    Die Königin betrachtete ihn unverwandt. »Vor allem will er Eure Aufgabe. Er meint, Ihr seid nicht der richtige Beichtvater für mich.«
    »Wie bedauerlich«, erwiderte Talavera gelassen. »Das zeigt einen ernsten Mangel an Einsicht. Ich werde für Fray Tomas beten.«
    »Deswegen schätze ich Euch so sehr, Pater«, sagte Isabella lachend. »Mut und Nächstenliebe. Ihr besitzt da zwei seltene und wertvolle Eigenschaften.« Schlagartig wurde sie ernst. »Fray Tomas war natürlich auch noch aus anderen Gründen hier. Die Zahl der abtrünnigen conversos, die er aufspürt, nimmt höchst beunruhigende Ausmaße an. Er meint, um sie nicht länger durch die Nähe ihrer ehemaligen Glaubensbrüder in Versuchung zu führen, sollten wir das Edikt zur Vertreibung der Juden aus unseren Königreichen erlassen, das schon mein Groß vater im Sinn hatte.«
    Talavera zwang sich, nicht schneller zu atmen; er hatte es kommen sehen.

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