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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Erst gestern war ein Brief von Abraham Seneor über dieses Thema eingetroffen. Er sah Isabella ernst an.
    »Die Länge des Krieges stürzt Euch in ernsthafte Geldschwierigkeiten, nicht wahr?«
    Sie versteifte sich. »Was wollt Ihr damit andeuten, Pater?«
    »Meine Tochter«, sagte Talavera, immer noch ohne Vorwurf in der Stimme, »ich habe Euch damals unterstützt, als es darum ging, Kirchenschätze für den Krieg zu pfänden. Aber ich frage mich, ob Eure Entscheidung, die Inquisition unter Eurem Oberbefehl zu behalten, die richtige war. Die heilige Inquisition stellt ein großes Machtmittel dar und, schlimmer noch, eine Versuchung.«
    »Was meint Ihr damit?«, fragte die Königin scharf. Jedes Anzeichen von Demut war verschwunden. Doch der hagere, unscheinbare Mann, den sie sich zu ihrem Beichtvater erwählt hatte, ließ sich nicht einschüchtern. Auch seine Stimme klang nun hart.
    »Ich meine das Vermögen der conversos und der Juden, Euer Hoheit.«
    Isabella machte Anstalten aufzustehen. »Wie könnt Ihr es wagen«, begann sie wütend, »zu behaupten, ich hätte etwas anderes als das Seelenheil der Betroffenen im Sinn? Ihr geht zu weit, Fray Hernando!«

    »Kniet Euch wieder hin«, sagte Talavera unerschütterlich. »Ich habe es Euch schon einmal gesagt, hier seid Ihr vor dem Gericht Gottes und nichts weiter als eines seiner sündigen Kinder.
    Wenn Euch das nicht passt, dann wählt Euch einen anderen Beichtvater! Bis dahin werdet Ihr Euch anhören, was ich Euch zu sagen habe. Prüft Euer Herz, prüft es genau. Habt Ihr die Inquisition aus Ehrfurcht vor Gott oder aus weltlicher Machtgier hierher kommen lassen?«
    Niemand, auch ihr Gemahl nicht, sprach so mit Isabella von Kastilien. Selbst als Kind hatte sie ihrer Umgebung Ehrfurcht eingeflößt, gelegentlich selbst ihrem älteren Bruder, dem Kö nig. Für einen Moment fürchtete Talavera, er habe den Bogen überspannt. Isabella sah in etwa so freundlich aus wie ein Wolf, dem man seine Beute weggenommen hatte. Doch er rührte sich nicht vom Fleck und langsam sank sie wieder in die Knie.
    »Manchmal seid Ihr unerträglich, Pater«, murmelte sie. »Versteht doch, alles, was ich will, ist, dieses wunderschöne Land zu einen und es Gott und seiner Kirche zuzuführen.«
    »Ein edles Ziel«, sagte Talavera aufrichtig. »Aber auch das Beste aller Vorhaben kann scheitern, wenn man zu seiner Verwirklichung die falschen Mittel gebraucht.«
    Sie senkte ihr Haupt, weniger aus Demut, wie Talavera argwöhnte, als um ihren Blick vor ihm zu verbergen. »Wie lautet meine Buße?«, fragte sie leise.
    Er nannte sie ihr und segnete sie, während sie sich bekreuzigte.
    Innerlich war er trotzdem nicht zufrieden. Er wünschte, Torquemada wäre nicht gekommen, um ebenfalls an der Belagerung von Baza teilzunehmen.
    Als erriete sie seine Gedanken, sagte Isabella nachdenklich:
    »Fray Tomas de Torquemada hat Recht. Ihr seid nicht der richtige Beichtvater für eine Königin.«
    Talavera war mit einem Mal erschöpft. »Möchtet Ihr, dass ich mein Amt aufgebe, Euer Hoheit?«

    Ihr strenges Gesicht wurde weicher, während sie ihren Kopf schüttelte. »Nein. Ich brauche Euch, Fray Hernando, wisst Ihr das nicht? Ihr seid mein Gewissen.«

    Der Winter kam, und noch immer hatte sich Baza nicht ergeben. Al Zaghal konnte sich inzwischen mit der Krücke und dem Holzstumpf, den die Ärzte an dem, was von seinem rechten Bein noch geblieben war, befestigt hatten, recht gut bewegen, doch seine Kampfkraft war erheblich eingeschränkt. Lediglich zu Pferd konnte er noch fechten wie früher.
    »Ein Krüppel«, sagte er düster. »Welchen Nutzen hat ein Krüppel?«
    »Vielleicht den, Weisheit zu erlangen, die einem Krieger verschlossen ist«, meinte Ibn Shurai, einer der Ärzte, unerschütterlich.
    »Pah!«
    Die Gerüchte über Baza wurden immer düsterer. Es war eine beklagenswerte Tatsache, dass es mangels Geld mittlerweile unmöglich geworden war, wirklich hilfreiche Spione im christlichen Lager anzuwerben, während die Christen umgekehrt wahrscheinlich durchaus in der Lage waren, moslemische Spione zu bezahlen. Also war nicht nur das Volk, sondern auch al Zaghal auf Gerüchte angewiesen. Um sich abzulenken, versuchte er sich in den Waffenkünsten, die man, wenn nötig, im Sitzen ausüben konnte - Bogen und Armbrust beispielsweise. Einmal ließ er Layla zu ihrer großen Überraschung holen, als er mit derartigen Übungen beschäftigt war.
    »Hör zu, Nichte«, begann er ohne Umschweife, »mir ist in den Sinn

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