Mondlaub
gewöhnlich in noch schlechtere Laune, wenn das überhaupt möglich war.
Diesmal jedoch schien er es alleine geschafft zu haben, denn bei ihrem Eintritt verkündete er für seine Verhältnisse aufgeräumt:
»Ich habe nachgedacht. Es ist nicht deine Pflicht, mich hier zu pflegen, dazu sind die verfluchten Halsabschneider von Ärzten da. Du hast also bewiesen, dass du über einige gute Eigenschaften verfügst… für eine Frau.«
Es sollte ein Kompliment sein, das erste, das er jemandem machte, doch die Art, wie er es vorbrachte, ließ es sauer in ihrem Mund schmecken.
»Ich hatte nichts Besseres zu tun«, sagte Layla knapp, beugte ihm den Kopf etwas unsanft nach vorne und begann, sich an die Arbeit zu machen. »Es ist schon ziemlich langweilig in Guadix, außer dass ich diesen störrischen Palastverwalter endlich überreden konnte, mir ein paar Rollen aus der Bibliothek zu bringen.«
»Frauen«, sagte er, und da er nicht »Weiber« sagte, klang es beinahe duldsam, »sind eine Strafe Allahs.«
»Im Gegenteil«, erwiderte sie und bog seinen Kopf zur Seite.
»Es steht geschrieben: Verkehrt in Billigkeit mit ihnen, und so ihr Abscheu wider sie empfindet, empfindet ihr vielleicht Abscheu wider etwas, in das Allah reiches Gut gelegt hat.«
Dank der hiesigen Bibliothek hatte Layla ihre Korankenntnisse wieder auffrischen können, was ihr bei den Wortgefechten mit al Zaghal immer sehr zustatten kam. Sei es, weil ihm die Argumente ausgingen, oder weil er müde war, jedenfalls schwieg er, bis sie seinen Haarschnitt beendet hatte.
»Wenn Frieden herrschte«, sagte er dann nachdenklich, »hätte ich dir schon längst einen Mann gesucht.«
Das war höchstwahrscheinlich freundlich gemeint, besonders angesichts der Tatsache, dass sie ein Halbblut war, aber dieser Punkt war ihre wunde Stelle.
»Dann spricht wenigstens etwas für den Krieg«, erklärte Layla,
»denn ich will nicht heiraten. Das war einer der Gründe, warum ich aus Kastilien weggelaufen bin.«
Die lange Zeit, die er bettlägerig gewesen war, hatte sie vergessen lassen, dass al Zaghal für seine Schnelligkeit berühmt war.
Ehe sie sich dagegen wehren konnte, hatte er ihre Hand gepackt und hielt sie fest, als sei sie ein Schwertknauf.
»Wen solltest du heiraten?«, fragte er.
»Wer behauptet denn, dass ich jemanden…«
Er machte Anstalten, ihr den Arm auf den Rücken zu drehen.
Sie hätte sich wahrscheinlich mit Gewalt befreien können, doch das wäre schmerzhaft für sie und demütigend für ihn geworden, und obwohl sie wütend war, war sie dazu noch nicht bereit.
»Den Sohn des Marquis von Cadiz«, stieß sie hervor. Er ließ sie los, und zum ersten Mal seit seiner Verwundung hörte sie al Zaghal aus vollem Herzen lachen. Layla fand nichts Belustigendes an diesem Thema, aber er lachte so lange, bis ihm Trä nen in den Augen standen.
»Mädchen«, sagte er dann, mühsam Luft holend, »du bist Gold wert.«
Sie überlegte, ob sie ihn einige Tage sich selbst überlassen sollte, doch letztendlich tat sie es nicht. Dass sie sich um ihn kümmerte, hatte neben reiner Langeweile und Menschenfreundlichkeit - und vielleicht auch einer gewissen Zuneigung zu dem Bruder ihres Vaters - noch andere Gründe.
Was Jusuf über Suleimans Wunde erzählt hatte, quälte sie.
Layla dachte an Abraham Seneors Worte. Widernatürlich. Wiedergänger. Aber sie war nicht tot, sondern ein lebender Mensch, wie also konnte er sie dazu bringen, sich auf dieselbe Art zu ernähren, wie er es tat, vorausgesetzt, dass er nicht gelogen hatte?
Tief in ihrem Innern kannte sie die Antwort, und sie fürchtete sich davor.
In der Bibliothek von Guadix suchte sie nach Chroniken aus der Zeit der Sinhadja. Bei Ibn Idhari fand sie schließlich eine Beschreibung von Jusuf ben Ismail Ibn Nagralla zu dessen Lebzeiten, eine Beschreibung, die sie umso mehr überraschte, als Ibn Idhari Jusuf beschuldigte, Granada unter die Herrschaft einer jüdischen Dynastie gebracht haben zu wollen:
»Jusuf, der weder die demütigende Lage der dhimmi noch den Schmutz des Judentums gekannt hatte, besaß ein gut aussehendes Gesicht; er lebte in strenger Enthaltung; er erledigte die Staatsgeschäfte voller Energie, füllte die Staatskasse, sorgte dafür, dass die Steuern pünktlich gezahlt wurden, und betraute Juden mit Staatsämtern. Badis behandelte ihn mit wachsender Achtung. Doch Jusuf unterhielt Spione im fürstlichen Palast. Es handelte sich um Frauen und Diener, die er bestach.«
Ein arabischer Dichter,
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