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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Gemahlin des Emirs kalt, ohne die geringste Erregung, »er wollte Tariq umbringen. Er hat die ganze Angelegenheit geplant, genau zum richtigen Zeitpunkt, und wenn nicht er, dann sie.«
    Ali schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht glauben. Muhammad schwört, dass es ein Zufall war. Es mag sein, dass er dich und deine Kinder hasst, Zoraya, aber du bist meine Gemahlin, und sie sind seine Geschwister. Er würde ihnen niemals ein Leid zufügen.«

    Jetzt stieg Farbe in ihre blassen Wangen. »Du bist blind«, erklärte sie leidenschaftlich, »völlig blind. Ich wusste schon immer, falls wir das Glück haben sollten, bis zu deinem Tod zu überleben, dann wird Alscha mich und meine Kinder noch in derselben Stunde ebenfalls sterben lassen, sie wird keine Rivalen für ihren Sohn dulden, und Muhammad ist ihr williges Werkzeug. Das war er immer.«
    Sie fiel vor ihm auf die Knie. »Ich weiß, dass du alle deine Söhne liebst, Geliebter, und deshalb habe ich geschwiegen, bis jetzt. Aber was Tariq geschehen ist, zeigt mir, dass ich nicht länger schweigen darf. Du musst eine Entscheidung treffen.
    Wenn du Alscha und Muhammad leben lässt, verurteilst du uns zum Tode. Dann lass uns gleich sterben, alle zusammen, aber lass mich nicht Tag für Tag darauf warten, dass ich meine Kinder ermordet sehe.«
    Zuerst war Alis Gesicht weicher geworden, nachgiebiger, und sie hatte Hoffnung geschöpft. Aber nun verhärtete es sich wieder. »Isabel«, sagte er sehr ernst und gebrauchte ihren alten Namen, »was du von mir verlangst, ist unmöglich. Ich kann nicht zwischen meinen Kindern wählen und eines davon umbringen lassen. Aber sei versichert, ich werde dafür sorgen, dass keinem von euch etwas geschieht.«
    »Wie?« Sie hatte geglaubt, sie könne nicht mehr weinen - es war so viele Jahre her -, doch sie hatte sich geirrt. Es stand zu viel auf dem Spiel. Den Blick starr auf Ali geheftet, liefen ihr die Tränen über die Wangen, und er war erschüttert.
    »Ich werde Muhammad unter Arrest stellen«, sagte der Emir,
    »bis diese Angelegenheit geklärt ist.«

    Don Rodrigo Ponce de Leon, Marquis von Cadiz, blickte aus den Bergen von Loja auf die Stadt Alharna herab. Der winterliche Halbmond ließ sie wie eine reife Frucht erscheinen, die darauf wartete, gepflückt zu werden, und er zweifelte nicht daran, dass seinem Unternehmen Erfolg beschieden sein würde.
    Es war ein waghalsiger Plan, und wäre es nach dem vorsichtigen Fernando gegangen, hätte der Marquis von Cadiz nie die Truppen bekommen, die er brauchte. Aber er war Kastilier und hatte sich an die Königin gewandt. Isabella hatte sowohl den Mut als auch die Fantasie, um eine kleine Armee auf den Vorschlag eines Mannes hin, der noch vor ein paar Jahren ihre Rivalin Juana unterstützt und sie bekriegt hatte, zu riskieren. Sie war nicht nachtragend, sie wusste, wie man Talente benutzte, und vor allem wusste sie, was sie wollte. Und sie wollte Granada.
    Eigentlich, dachte Don Rodrigo und strich sich über seinen rötlichen Bart, hatten sie sich nur den Einfall des verfluchten Abul Hassan Ali zu Eigen gemacht. Ein nächtlicher Überfall, im Winter. Er war mit seinen Leuten immer nur in der Nacht marschiert, trotz der Kälte, trotz des Murrens der Männer, und bis jetzt hatte diese Taktik scheinbar auch Erfolg gehabt. Die Mauren erwarteten einen Angriff an der Grenze, nicht inmitten von Granada. Alhama lag nur einige Meilen von der Hauptstadt entfernt.
    Der Marquis winkte einige seiner Leute zu sich. Bis auf etwa hundert Soldaten sollten die Truppen versteckt bleiben, bis diese Männer die Wächter von Alhama unschädlich gemacht und die Tore geöffnet hatten. Nervös fuhr sich Don Rodrigo mit der Zunge über die Lippen. Es hing alles davon ab, ob es seinen Männern gelang, ihre Leitern im Schatten der Türme ungesehen aufzustellen und in die Festung einzudringen. Wenn sie frühzeitig entdeckt wurden…
    Er wartete. Es schien Stunden zu dauern, und die Kälte der Winternacht wurde mit jeder Minute unerbittlicher. Die Männer hatten Order, die maurischen Soldaten, die sie vorfanden, ausnahmslos umzubringen, und zwar so geräuschlos wie möglich.
    Niemandem durfte Gelegenheit gegeben werden, Alarm zu schlagen. Deswegen hatte er nur die erfahrenen Kämpfer losgeschickt, keine von den Grünschnäbeln, die am Ende Skrupel bekommen könnten, jemanden im Schlaf zu töten. Aber jetzt gaukelte ihm seine Fantasie ebendies vor: Seine Leute zögerten, die Mauren wachten auf, sein Plan zerfiel in

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