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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Stickens. Um sie herum war nicht nur die Alhambra, sondern die ganze Stadt in Aufruhr. Ihre Mutter hielt es für klug, sich jetzt nicht außerhalb ihrer Räume blicken zu lassen. Tariq hatte nun ein eigenes Zimmer, in dem er lag und sein gebrochenes Bein auskurierte, während die Soldaten des Emirs aus der Stadt zogen.
    Laylas Mutter und Fatima waren mit einem Brettspiel beschäftigt, aber keine von beiden konnte sich wirklich konzentrieren, und sie schoben ziemlich lustlos ihre Figuren hin und her.
    »Ich erinnere mich an Don Rodrigo«, sagte ihre Mutter plötzlich, und hinter dem Diwan schrak Layla zusammen. Isabel sprach sonst nie von ihrer Vergangenheit, und dass sie es in einem solchen Augenblick tat, zeigte, wie sehr sie aus dem Gleichgewicht war.
    Fatima kam nicht dazu, darauf zu reagieren, denn der Eunuch Malik stürzte herein und meldete den erhabenen Abu Abdallah Muhammad al Zaghal an. Isabel erhob sich erstaunt und Fatima hielt den Atem an. Wenn al Zaghal in den letzten zehn Jahren auch nur mehr als fünf Sätze mit der zweiten Gemahlin seines Bruders gewechselt hatte, dann war das schon eine großzügige Schätzung. Layla, die sich hütete, irgendjemanden auf ihre Gegenwart aufmerksam zu machen, konnte sich nicht vorstellen, was ihn jetzt hierher führte.
    Ihre Neugier sollte bald befriedigt werden. Al Zaghal hielt sich nie gerne mit langen Umschweifen auf, auch wenn die meisten anderen Leute es taten und es sogar zur zivilisierten Kunst des Gespräches gehörte.
    »Schickt Eure Dienerin weg«, sagte er. »Ich habe mit Euch zu reden, Sejidah.«
    Isabel kam seiner Aufforderung nach. Sie erwähnte nicht, dass Layla sich ebenfalls im Raum befand; das Mädchen fragte sich, ob ihre Mutter sie vergessen hatte oder aus Misstrauen gegen al Zaghal so handelte. Sie kauerte sich zusammen und versuchte, so flach wie möglich zu atmen.
    »Nun, Sejid«, sagte ihre Mutter ein wenig spöttisch, »wir sind allein. Was verschafft mir die Ehre Eures hohen Besuches?«
    »Muhammad«, entgegnete al Zaghal schroff. »Mein Bruder wird in der nächsten Zeit damit beschäftigt sein, die Ungläubigen aus Alhama zu vertreiben, und er hat mir während seiner Abwesenheit den Befehl übergeben. Wollt Ihr Muhammad immer noch tot sehen?«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Laylas Mutter vorsichtig, »wie Ihr das meint.«
    »Bei Iblis und allen Dschinn, Weib, stellt Euch doch nicht dümmer an, als Ihr seid! Ihr habt Euch nach Kräften bemüht, dafür zu sorgen, dass nur Muhammads Tod eine Lösung für das sein kann, was Ihr mit Euch brachtet. Aber Ihr habt einen Fehler gemacht. Mein Bruder wird Muhammad nie hinrichten lassen, er wird nie den Befehl dazu geben. Doch ich werde es. Wenn Ihr…«
    Isabel lachte, ein hoher, zerbrechlicher Klang. »Und das soll ich glauben? Ihr hasst mich, Sejid, Ihr habt mich immer gehasst, und ich weiß, dass Ihr Euren Neffen zumindest gern habt.
    Weswegen solltet Ihr mir helfen und ihn töten?«
    »Weil«, sagte al Zaghal gefährlich leise, »wir Krieg mit Euren Landsleuten haben. Weil wir uns keine weiteren Fehden mehr leisten können, sondern einig und stark sein müssen. Weil ein Emir von Granada es sich nicht erlauben kann, seinen Sohn zum Rivalen zu haben, und Ihr habt dafür gesorgt, dass die beiden sich nie wieder versöhnen werden, nicht wahr… Zoraya?«
    Laylas Hände zitterten, und erst jetzt merkte sie, dass sie noch immer ihre Stickerei festhielt. Die Fäden kratzten an ihrer Haut.
    Sie konnte jede Kleinigkeit wahrnehmen; den Stoff, die kühle Luft, das Parfüm ihrer Mutter.
    »Warum bringt Ihr dann nicht mich um?«, erkundigte Isabel sich sachlich. »Das würde Eure Schwierigkeiten ebenfalls lö sen.«
    »Nein«, sagte al Zaghal hart, »sonst hätte ich es schon getan.
    Ali würde für den Rest seines Lebens alle die hassen, die er für schuldig an Eurem Tod hält, und wir wären schlimmer dran als zuvor. Ihr habt ihm ein Gift eingeflößt, das er nicht mehr loswerden kann, und deswegen komme ich zu Euch. Ich werde für Muhammads Tod sorgen, heimlich, nicht öffentlich, sonst haben wir hier einen Volksaufstand. Wenn Ihr versprecht, dass Ihr mir danach bei Ali den Rücken stärkt.«
    Beide schwiegen, aber Layla kam es vor, als hörte sie ein ständiges Pochen, das immer lauter wurde, bis sie begriff, dass es ihr eigenes Herz war.
    »Gut«, sagte ihre Mutter schließlich, nichts weiter. Al Zaghal hielt die Unterredung damit für beendet und schickte sich an, den Raum zu verlassen, als Isabel ihm

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