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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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schon vorher geschlagen, und wir haben uns wieder erholt. Nein, ich wollte aus einem anderen Grund mit dir sprechen. Wir müssen endlich etwas gegen Muhammad unternehmen.«
    »Ich habe Alscha und ihre Anhänger aus der Stadt vertrieben«, sagte Ali langsam, »obwohl das gegen unsere Gesetze verstößt, da sie noch immer meine Gemahlin ist. Sie und Muhammad residieren jetzt in Almeria. Was soll ich deiner Meinung nach noch tun? Almeria angreifen, damit die Christen inzwischen in aller Ruhe ihren Krieg fortführen können, während wir uns selbst zerfleischen?«

    Al Zaghal schüttelte den Kopf. »Solange wir gegeneinander kämpfen, sind wir nicht stark genug, um die Christen zu besiegen, da stimme ich dir zu. Aber jetzt, wo Muhammad sich mit ihnen verbündet hat, verliert er mehr und mehr seiner Anhä nger. Jetzt sollten wir zuschlagen. Ihn ein für alle Mal erledigen, damit die Christen nicht ständig einen Dolch haben, den sie uns in den Rücken stoßen können.«
    Abul Hassan Ali schlug mit der Faust gegen eine der Alabastersäulen. »Nein! Du bist der Oberbefehlshaber meiner Streitkräfte und mein wichtigster Ratgeber, und glaube mir, Bruder, ich schätze deinen Rat über alles. Aber diesmal hast du Unrecht. Die Christen sind die größere Gefahr. Erst die Christen und dann Muhammad.«

    Während das dritte Kriegsjahr anbrach, dachte Layla oft, dass in einem der Märchen, an die sie früher einmal geglaubt hatte, Suleiman ein anbetungswürdiges kleines Kind gewesen wäre, das sie mit allem versöhnt und ihr endgültig alle Rachewünsche ausgetrieben hätte.
    Suleiman erinnerte sie schnell wieder daran, dass sie in der Wirklichkeit lebte.
    Die Königin hatte natürlich nicht im Sinn gehabt, ihr die alleinige Verantwortung für die kostbare Geisel zu übertragen; der Mann, der dafür zu sorgen hatte, dass Abu Abdallahs Sohn sich ständig in allen Ehren bei Hofe aufhielt, war Don Martin de Alarcon. Aber Layla war diejenige, die ihn tagsüber beaufsichtigen sollte, seine Sachen packen, wenn der Regierungssitz wieder einmal gewechselt wurde, und was dergleichen mehr anfiel.
    Der einzige Vorteil gegenüber dem Dasein als Hofdame war, dass sie dadurch eine eigene Kammer erhielt, direkt neben dem wohl bewachten Gemach ihres Neffen.

    Auch wenn es sich nicht ausgerechnet um Suleiman gehandelt hätte, wäre Layla nicht sehr begeistert von ihrer Aufgabe gewesen; sie war noch zu jung, um in Kleinkinder vernarrt zu sein, wie Doña Maria es beispielsweise war. Layla hatte Don Sancho Ximenes de Solis brieflich gedroht, die Ehre der Familie durch offene Bettelei zu beflecken, was dazu führte, dass Doña Maria und sie monatlich eine kleine Summe Geldes erhielten; so konnte die Duena bei ihr bleiben. In Momenten der Schwäche fühlte sich Layla versucht, Suleiman ganz auf Doña Maria abzuwälzen; aber sie hatte das bohrende Gefühl, es sei ihre Pflicht, wenigstens dafür zu sorgen, dass er seine Heimat nicht ganz vergaß.
    Das Vergessen war ihre eigene geheime Furcht. Als Suleiman sich lautstark über die christliche Kleidung und den Gestank überall beschwerte, stellte Layla erschrocken fest, wie sehr sie sich selbst schon daran gewöhnt hatte. Es machte ihr auch nichts mehr aus, die Messe zu besuchen, seit der Hof Cordoba verlassen hatte, und sie fasste nicht mehr unwillkürlich nach einem Schleier, wenn sie einem Fremden begegnete.
    Daher war sie zuerst froh, mit Suleiman arabisch sprechen und über die Alhambra reden zu können. Der Anfang war bereits nicht sehr viel versprechend.
    »Ich weiß, wer du bist«, verkündete er. »Du bist die Tochter der christlichen Hexe.«
    Morayma, demütig und sanft, wie der Prophet es forderte, hatte seine Erziehung bisher der beherrschenden Alscha überlassen.
    Daher verabscheute der kleine Junge nicht nur den christlichen Hof, sondern auch Layla, und nachdem sie ein paar Tage lang die Sachen, die er zerbrach, aufgelesen hatte, ihm durch die ganze Zitadelle hinterhergerannt war und mehrere seiner Wutanfälle über sich hatte ergehen lassen müssen, erwiderte sie seine Gefühle vollauf und schrie zurück. Da sie sich darauf verließ, dass niemand in Hörweite Arabisch verstand, bediente sie sich all der prächtigen Verfluchungen, die ihr diese Sprache zur Verfügung stellte, und endete schließlich befriedigt: »Und wenn du Sohn eines fünfbeinigen räudigen Esels im Laufe deines Lebens auch nur ein Hundertstel der Klugheit eines Kamels erlangen solltest, dann hat Allah wahrhaft ein Wunder

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