Mondlaub
für ihre besten Werke.«
Sie kannte die Sure, hatte sie oft gehört, das wusste sie genau, aber einen Augenblick lang fielen ihr die folgenden Verse nicht ein, und ein blinder Schrecken erfasste sie. Dann erinnerte sie sich wieder und sprach, wie man es sie gelehrt hatte: »Wer das Rechte tut, sei es Mann oder Weib, wenn er gläubig ist, den wollen wir lebendig machen zu einem guten Leben und wollen ihn belohnen für seine besten Werke.«
Es gab keine Unterhaltung an diesem Abend; sie gingen stumm auseinander, und es sollte das einzige Mal bleiben, wo sie in Frieden aufeinander trafen.
Im August erreichte die Gesandtschaft mit Muhammads kleinem Sohn und dem Lösegeld den Hof. Es war sein und Moraymas einziges Kind, ein Junge von fünf Jahren, den sie Suleiman genannt hatten. Selbstverständlich gab es auch für diese Gelegenheit eine große Zeremonie. Wieder war der gesamte Hof versammelt, als Alschas Gesandter das Kind zu seinem Vater führte. Muhammad kniete nieder und umarmte den Jungen, aber er sagte kein Wort, und auch Suleiman blieb still.
Bevor das Schweigen unbehaglich werden konnte, machte Isabella von Kastilien eine der öffentlichen Gesten, für die sie berühmt war und bei denen man nie wusste, ob es sich um Berechnung oder echtes Mitgefühl oder beides handelte. Sie erhob sich und ging zu Muhammad.
»Fürst«, sagte sie, »Euer Sohn hat eine lange Reise hinter sich.
Er muss erschöpft sein. Warum bringt Ihr ihn nicht in Eure Gemächer und kommt dann wieder? Der König und ich würden uns freuen, wenn Ihr heute Abend mit uns speisen würdet.«
Muhammad verbeugte sich und murmelte: »Ich danke Euch, meine Königin.«
Durch die Schar der Höflinge lief ein enttäuschtes Raunen, als er mit dem Kind die Halle verließ. Mit einer Handbewegung signalisierte Fernando, dass der Empfang beendet war.
An der abendlichen Tafel saßen zwar immer noch die Granden und die Damen der Königin, aber es waren sehr viel weniger als bei einem offiziellen Empfang. Sowohl Isabella als auch Fernando taten ihr Möglichstes, um Muhammad wie einen geehrten Gast zu behandeln.
Dennoch gelang es der Königin, alle Anwesenden - außer ihrem Gemahl - zum zweiten Mal an diesem Tag zu überraschen, als sie sich mit strahlender Miene erneut an ihren Vasallen wandte und meinte: »Glaubt mir, ich bin selbst Mutter und weiß, wie sehr es Euch schmerzen muss, Euren Sohn in der Fremde erzogen zu sehen. Doch ich denke, ich habe eine Lösung gefunden, die Euch den Abschied ein wenig leichter macht. Gottes unerforschlicher Wille hat es gefügt, dass ein weiteres Mitglied Eures Hauses an unserem Hof weilt. Wir werden Eure Schwester mit der Erziehung Eures Sohnes betrauen, bis er zu alt für weibliche Aufsicht ist.«
Menschlichkeit oder Strategie? fragte sich Layla. Dank des alten Mannes hielt Isabella sie für älter, als sie tatsächlich war, sonst hätte die Königin wohl eher vorgeschlagen, sie gemeinsam mit Suleiman erziehen zu lassen. Doch der erste Gedanke, der ihr gekommen war, noch ehe die Königin zu Ende gesprochen hatte, war ein anderer gewesen. Der Wille Gottes musste wahrlich unergründlich sein, wenn er sie zwang, sich um Alschas und Ali al Atars Enkelkind zu kümmern.
Der Myrtenhof in der Alhambra war von Säulen aus Jaspis und Alabaster umgeben, die wie Perlen den langen, als perfektes Rechteck gestalteten Teich umrahmten. Abul Hassan Ali stand an eine Säule gelehnt und betrachtete das in Marmor gefasste Wasser, als er hinter sich Schritte widerhallen hörte. Er drehte sich nicht um, denn diese Schritte waren ihm von Kindheit an vertraut.
»Erinnerst du dich«, sagte er abwesend zu seinem Bruder, »an die Geschichte über die Entstehung der Alhambra?«
Al Zaghal brannte vor Ungeduld, er hatte wichtige Neuigkeiten, doch er zwang sich zur Selbstbeherrschung. Seit die Christin fort war und Granada sich im Bürgerkrieg befand, alterte Ali immer schneller. Grübeleien wie diese waren nichts Ungewöhnliches mehr bei ihm.
»Die Verdurstenden in der Wüste sollen kurz vor ihrem Tod die schönsten Träume haben. Und Muhammad Ibn al Ahmar wollte einen solchen Traum in Stein.«
Ali löste sich von der Säule. »Genauso fühle ich mich jetzt, Bruder. Wie ein Verdurstender in der Wüste. Ich weiß schon, was du mir erzählen willst. Der Marquis von Cadiz, Allah verdamme ihn, hat Zahara zurückerobert. Und unsere Armee bei Lopera geschlagen.«
»Er ist wahrhaft ein Sohn von Iblis«, stimmte al Zaghal zu,
»aber wir wurden
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