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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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die Wangenlinie hatte sich etwas gerundet und ließ es nicht mehr so sehr hervortreten, weicher aussehen.
    Ach was, dachte sie. Ich will nicht heiraten und Kinder haben, die ich eines Tages verliere. Sie schloss die Augen und überließ sich dem Wasser.
    Als sie wieder aufschaute, waren ihre Sachen von dem Schemel, auf den Layla sie gelegt hatte, verschwunden. Stattdessen lag dort ein weißgoldenes Kleid, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es war mit winzigen Perlen und Goldfäden übersät, die in dem flackernden Licht des Feuers glitzerten wie Spinnweben im Tau.
    Die Tür war verriegelt. Es gab also nur eine Erklärung, wie das merkwürdige Kleid hierher gekommen war.
    »Ifrit«, rief Layla ärgerlich, »bist du das? Bist du hier?«
    Sie erhielt keine Antwort. Er hatte sie in diesem Jahr öfter besucht, und sie hatte sich dabei ertappt, manchmal sehnsüchtig darauf zu warten, denn erstens war er der Einzige, mit dem sie offen sprechen konnte, der Einzige, der alles über sie wusste, und zweitens war er so etwas wie ihr Fenster in die Welt. Er wusste, wie es ihrer Mutter ging, dass ihr Vater immer öfter ans Bett gefesselt war, dass Alscha Muhammad regelmäßig und vergeblich bestürmte, doch endlich Granada selbst anzugreifen, und er kannte alle möglichen und unmöglichen Geschichten über das Königspaar und den Hofstaat. Allerdings erzählte er ihr nicht immer, was sie wirklich wissen wollte, und hatte sie schon öfter mit einer unwahrscheinlichen Geschichte hinters Licht geführt, um sich anschließend über ihre Leichtgläubigkeit lustig zu machen. Sie hatte den Verdacht, dass er gerne mit ihr stritt; manchmal gestand sie sich ein, dass sie ihn vermissen würde, wenn er nicht mehr käme, und war zornig darüber.
    Aber er war noch nie aufgetaucht, während sie badete.
    Layla erhob sich langsam aus dem Wasser, um ihm zu zeigen, dass sie keine Angst hatte, falls er tatsächlich hier war. Es rührte sich nichts, und sie griff nach dem bereitgelegten Tuch, um sich abzutrocknen. Dann sah sie sich das Kleid an.
    Es war aus Seide und schön wie eine der verzierten Alabastersäulen in der Alhambra. Vor zwei Jahren hätte sie nicht geglaubt, dass sie etwas Christliches einmal schön finden könnte, aber sie tat es. Als Layla es aufhob, klirrte etwas, und sie bemerkte, dass zwei Kämme aus Silber dabeilagen, um ihr Haar aufzustecken. Bisher hatte sie es noch nicht getan - es war nur für heiratsfähige Mädchen und Frauen üblich -, doch Doña Maria hatte ihr die nötigen Handgriffe beigebracht.
    Sie konnte nicht widerstehen. Ob das nun ein Scherz sein sollte oder nicht, sie zog das Kleid an und versuchte dann, mit Hilfe des kleinen Bronzespiegels ihr Haar zu richten. Neben den Augen war ihr Haar das Einzige an ihr, das man ihrer Meinung nach als ansehnlich bezeichnen konnte; schwarz und üppig wie das einer echten Araberin.

    Wahrscheinlich war nicht alles völlig korrekt, aber als sie den Spiegel ein letztes Mal hob, war Layla zufrieden. Dann tauchte im Spiegelbild die Gestalt von Jusuf ben Ismail auf.
    »Also warst du doch da«, sagte sie anklagend und drehte sich um. Er trug Schwarz, nur Schwarz, doch selbst der anspruchsvollste Hidalgo hätte für einen königlichen Empfang nicht besser gekleidet sein können.
    »Natürlich«, erwiderte er. »Es ist dein Geburtstag, Layla, und das ist mein Geschenk für dich.« Mit zusammengezogenen Brauen blickte er sich um. »Aber es ist reichlich eng hier.«
    Er reichte ihr seinen Arm, und wie Doña Maria es sie gelehrt hatte, legte sie ihre Hand darauf. Dann öffnete er die Tür, und sie verließen das Zimmer. Erst als sie auch Suleimans Gemach - und seine Wachen - schweigend hinter sich gelassen hatten, blieb Layla stehen.
    »Jusuf«, sagte sie bedauernd, »ich kann dieses Gewand nicht tragen. Jeder weiß doch, dass es nicht mir gehört, sie werden glauben, ich hätte es gestohlen.«
    »Ich habe es gestohlen«, erwiderte er gleichgültig. »Es ist das neue Kleid der Infantin.«
    Vor Empörung und ein wenig auch vor gekränkter Eitelkeit - sie hatte angenommen, er hätte es für sie herbeigezaubert - war Layla sprachlos. Er lächelte.
    »Sie hat es nicht gebraucht, aber ich. Nun, kleines Mädchen, erinnerst du dich an unseren Handel? Es ist an der Zeit, dass du wieder an mich bezahlst.«
    Layla bedeckte unwillkürlich ihr linkes Handgelenk. Sein Lä cheln vertiefte sich. Sie fröstelte, aber sie schluckte ihr Unbehagen herunter und fragte: »Was geschieht eigentlich, wenn du

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