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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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vollbracht!«
    Er starrte sie mit großen Augen an, und seine Lippen zitterten; und dann setzte sich das verabscheute Balg zu Laylas Entsetzen auf den Fußboden und begann, lauthals zu weinen.
    Hinter ihr räusperte sich jemand. »Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee von der Königin war«, meinte Fray Hernando de Talavera zweifelnd. Das Blut stieg Layla in die Wangen, aber sie war noch immer aufgebracht genug, um Suleiman am Arm zu packen und hochzuziehen.
    »Die Königin war sehr gütig«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Mein Neffe und ich verstehen uns hervorragend.« Dabei drehte sie Suleimans Arm auf den Rücken, etwas, das ihr Tariq beigebracht hatte und das Suleiman sehr schnell zum Verstummen brachte. Dank ihrer bauschigen Rö cke konnte der Beichtvater der Königin diesen Gewaltakt nicht sehen; er musterte sie nur skeptisch und lächelte dann.
    »Es wird sie freuen«, sagte er, »das zu hören. Doch Ihr solltet dem Kleinen unsere Sprache beibringen, Doña Lucia. Sonst wird er sich hier so einsam fühlen wie… ein Kamel in den Bergen.« Nach diesem Abschiedsgruß hastete er in seiner Kutte weiter. Layla blieb in tiefster Verlegenheit zurück und klammerte sich an die vage Möglichkeit, dass das mit dem Kamel Zufall gewesen war.
    Wie auch immer, Suleiman ließ sich nicht gerne etwas beibringen, doch sie entdeckte bald, dass er für Süßigkeiten so empfänglich war wie einst Tariq. Also versuchte sie es mit Bestechung und erzielte langsame Fortschritte.
    Auf dieses grässliche Kind aufzupassen, nahm sie so in Anspruch, dass sie eine Zeit lang kaum mehr auf die Kriegsneuigkeiten achtete. Sie waren weder ermutigend noch niederschmetternd. Ihr Vater versuchte zweimal vergeblich, Alhama zurückzuerobern; al Zaghal und sein Unterführer, Hamid al Zegri, lieferten sich regelmäßige Gefechte mit dem Marquis von Cadiz, bei denen einmal der eine, dann wieder der andere gewann. Als die lange versprochenen Kanonen und Feuerwaffen aus Italien für die kastilische Armee eintrafen, gelang es Don Rodrigo, zwei Festungen hintereinander zu erobern, Alora und Setenil.
    »Aber es würde alles sehr viel schneller gehen«, äußerte er unzufrieden, als man ihm zu seinen Erfolgen gratulierte, »wenn dieser Schwächling in Almeria endlich anfangen würde, um sein Lehen zu kämpfen. Zumindest würde das seinen elenden Onkel ablenken.«
    Abends war Layla meistens zu erschöpft, um irgendwelche Feste oder Menschen zu besuchen - sie hatte ohnehin keine Freunde bei Hof, was Doña Maria einmal zu einem stirnrunzelnden Kommentar veranlasste.
    »Ihr solltet mehr unter Leute gehen, Lucia. Es ist nicht gut für ein Mädchen in Eurem Alter, immer nur in Gesellschaft von Rindern und älteren Frauen zu sein. Schließlich seid Ihr selbst kein Kind mehr.«
    Layla entgegnete ihr, sie sei viel zu beschäftigt, und das auf Wunsch der Königin, aber im Winter, als ihr dreizehntes Lebensjahr begann, erinnerte sie sich wieder an die Worte der Duena. Sie hatte niemandem von ihrem Geburtstag erzählt; Suleiman hatte von Don Martin seine erste Reitstunde erhalten und schlief daher gnädigerweise schnell ein, Doña Maria war für ein paar Wochen nach Sevilla zurückgekehrt, also hatte Layla ihre Kammer und ihre Zeit für sich.
    Suleiman als königliche Geisel hatte Anspruch auf Bequemlichkeit, was Layla von Anfang an dazu benutzt hatte, ständig einen Waschbottich zur Verfügung zu haben. Es war nicht das Gleiche wie ein echtes Bad, aber es stellte sie einigermaßen zufrieden. Sie entfachte ein Feuer in dem winzigen Kamin, neben den sie den Bottich gerückt hatte, verriegelte die Tür, zog sich aus und stieg in das inzwischen lauwarme Wasser. Es war ein angenehmes Gefühl, und sie ließ sich so tief wie möglich hineingleiten. Dabei stellte sie fest, dass sie noch etwas gewachsen sein musste, denn Bottiche verkleinerten sich nicht von selbst, und ihre Knie und Brüste schauten noch hervor, selbst wenn sie sich zusammenkauerte. Vor einem Jahr hatte sie höchstens andeutungsweise einen Busen gehabt Sie blickte an sich herab und dachte verstört: Doña Maria hat Recht, ich bin kein Kind mehr.
    Noch immer war sie zu dünn, gemessen an allen Maßstäben, die sie kannte, aber niemand würde sie mehr mit einem Jungen verwechseln.
    Die Wasseroberfläche hatte sich inzwischen beruhigt und zeigte Layla ihr Gesicht. Nase und Mund hatten ihre unglückselige Form behalten und würden es wohl immer tun, und ihr Kinn war immer noch spitz, aber

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