Mondlaub
meine Lebenskraft nimmst?«
Jusuf hob eine Augenbraue. »Das verkürzt selbstverständlich dein Leben, Layla. Ist dir nicht aufgefallen, dass du im letzten Jahr ziemlich schnell gewachsen bist? Was mich angeht, mir gibt es die Kraft, Gestalt zu bleiben, deine Wünsche zu erfüllen… und meine.«
Von dem Gang aus, in dem sie standen, konnte man die Spielleute hören, die gerade eine Sarabande anstimmten - oder bildete sie sich das nur ein? »Was für Wünsche«, fragte Layla in der festen Absicht, sich nicht einschüchtern zu lassen, »deinen Fluch?«
Sein Gesicht lag im Schatten, nur die gläsernen Augen spiegelten das schwache, widerspenstige Licht der Fackeln wider, die überall an den Wänden staken. »Im Moment«, sagte er mit seiner melodischen Stimme, »habe ich nur einen Wunsch. Tanz mit mir.«
Unter seinem Blick fand sie es plötzlich schwer zu sprechen.
»Ich kann nicht tanzen«, sagte sie leise; das war nicht ganz richtig, Doña Maria hatte ihr ein paar Grundschritte beigebracht, aber nicht viel mehr. Bei den Moslems tanzten Mann und Frau nicht miteinander, also hatte sie keinen ernsthaften Versuch gemacht, es zu lernen.
Er legte eine Hand auf ihren Mund und zog sie mit der anderen näher. Plötzlich war sie überzeugt, dass sie es konnte. Sie raffte ihr Kleid und begann zögernd die ersten Schritte, etwas sicherer die nächsten. Es gab keine anderen Paare, zu denen sie hätten wechseln können, aber die Schatten um sie herum schienen lebendig zu werden, und wenn es an der Zeit war, sich zu trennen, wirbelte Layla zwischen ihnen mit einem berauschenden Gefühl der Freiheit, das sie hätte warnen sollen. Es erinnerte sie an etwas, doch sie wollte gar nicht wissen, woran.
Das Tanzen machte ihr Spaß, beflügelte sie, ließ sie nicht mehr ungeschickt sein, und sie hätte ewig weitermachen können, wenn die Musik nicht aufgehört hätte. Die Schatten kamen zum Stillstand, bis auf den dunkelsten von ihnen, Jusuf, der sie festhielt.
Er hatte beide Arme um sie gelegt und zog sie langsam immer dichter an sich heran, bis sie seinen Herzschlag hätte spüren müssen. Aber da war kein Herzschlag.
»Es ist zu Ende«, murmelte Layla unsicher.
»Ich glaube nicht«, entgegnete er. Und seine eisigen Lippen legten sich auf ihren Mund.
Al Zaghal hatte ein ungutes Gefühl, als er in Almeria einritt.
Ursprünglich hatte er einen Überraschungsangriff geplant, einen Blitzschlag aus heiterem Himmel. Aber die Stadt leistete keinen Widerstand; die Tore waren für ihn und seine Armee geöffnet, und die Leute auf der Straße jubelten ihm zu. Er wusste, dass er seit dem Sieg bei Malaga als die große Hoffnung des Reiches galt, doch dass die Leute selbst in Muhammads Residenz auf seiner Seite standen, war mehr, als er erwartet hatte.
Wenn es sich nicht um eine Falle handelte.
Er wies einen Teil seiner Männer an, vor der Stadt zu lagern, und befahl den Soldaten, die er mitnahm, bei ihm zu bleiben und auf keinen Fall in ihrer Kampfbereitschaft nachzulassen.
Man gehorchte ihm widerspruchslos. Al Zaghal lächelte und winkte nicht, als er durch Almeria zog, und er sprach zu seinen Soldaten nicht freundlicher als zu jedem anderen. Es war nicht die Begeisterung für einen Märchenhelden, die er hervorrief, auch nicht die Loyalität, die sein Bruder in seinen besten Zeiten erzeugen konnte. Was die Leute veranlasste, den grimmigen, unerbittlichen al Zaghal durch ihre Schreie anzufeuern, war die Gewissheit, dass er sich nur durch den Tod von seinem Ziel würde abbringen lassen.
Die Zitadelle, der Alcazar, empfing ihn ähnlich, und al Zaghal entspannte sich etwas. Vielleicht handelte es sich wirklich nicht um einen besonders fein ausgeklügelten Hinterhalt Muhammads. Der Junge war nie sehr gut in Listen gewesen. Andererseits erschien es ihm unwahrscheinlich, dass sein Neffe sich einfach so ergab.
Er verteilte seine Soldaten über die gesamte Festung, befahl ihnen, alles nach Muhammad abzusuchen. Keine weiteren Verkleidungen dieses Mal. Alscha zu finden, bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Sie wartete mit ihren Frauen und Raschid, Alis Sohn von einer Konkubine, der sich auf Muhammads Seite gestellt hatte, auf ihn.
Al Zaghal verschwendete keine Zeit. »Wo ist dein verräterischer Sohn?«, fragte er sie barsch. Alscha lachte verächtlich.
»Hier gibt es nur einen Verräter«, antwortete sie höhnisch, »und das bist du.« Al Zaghal sagte nichts, und Raschid fühlte sich dadurch ermutigt, noch etwas Öl ins Feuer zu
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