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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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dir an, Layla, dann erkennst du den Grund, warum dieses Volk, das einmal al Andalus erobert hat, jetzt gegen die Christen verliert. Ihr seid zu weit von der Wüste entfernt, und er am allermeisten. Er hat nichts mehr von ihrer brennenden Unerbittlichkeit. Und die Kastilier sind Kreuzfahrer.«
    »Noch«, sagte Layla scharf, »ist es überhaupt nicht sein Reich.
    Mein Vater regiert, und er und al Zaghal haben bewiesen, dass sie herrschen und kämpfen können. Die Könige müssen in Schwierigkeiten sein, sonst hätten sie es doch nicht nötig, ein Kleinkind als Geisel zu verlangen.«
    Jusuf legte die Hand auf die Brust und verbeugte sich spöttisch.
    »Wie Ihr meint, Sejidah.«
    Sie waren am Rand der Gärten angekommen, und man konnte die große Brücke sehen, die sich mit der ehemaligen Moschee verband wie ein Zweig mit dem Baum. Unter ihnen schimmerte der Guadalquivir unruhig im Mondlicht.
    »Wo die Milchstraße als schäumender Flussbogen, dessen Schwert aus der Scheide des Laubwerks gezogen, sich mit der Stadt vermählt«, rezitierte Layla in Erinnerung. »So heißt es über Cordoba. Kannst du, der du tot bist, mir sagen, welcher Glaube der richtige ist?«
    Mit einer eiskalten Hand hob er ihr Kinn. Sie starrte in die weißgrauen, unmenschlichen Augen. »Zweifel, Lucia? Da kann ich dir nicht helfen, denn keiner meiner Antworten könntest du trauen. Ich könnte aus Eigennutz das Judentum nennen oder aus Bosheit das Christentum, oder den Islam, nur um dir einen Gefallen zu erweisen.«
    Sie stand sehr still. »Warum kommst du noch zu mir, Ifrit? Jetzt, wo alles vorbei ist?«
    Seine Hand glitt langsam ihre Kehle hinab, dann trat er zurück und lachte sein unirdisches, leises Lachen.
    »Aber es ist noch nicht vorbei, kleines Mädchen, und ich habe dir von Anfang an gesagt, was ich von dir will. Ein kleiner Teil genügt nicht. Ein Handel bleibt ein Handel.«
    Er war verschwunden. Layla blickte auf ihr linkes Handgelenk.
    Alle anderen Schnitte waren verheilt, aber die punktförmige, tiefe Wunde dort blieb ständig frisch verkrustet. Manchmal kratzte sie sie selbst auf, aus Nervosität, aber meistens dachte sie gar nicht daran. Das war das Seltsamste - sie spürte sie überhaupt nicht.

    Die Königin verbrachte ihren Vormittag zumeist mit Staatsgeschäften, empfing Botschaften, Bittgesuche, die Abgeordneten der Cortes, der Ständeversammlung, und dergleichen mehr. In dieser Zeit brauchte sie ihre Hofdamen nicht, es sei denn, um kleine Gänge und Aufträge zu erledigen.
    Auf diese Weise begegnete Layla einmal Isabellas Beichtvater, Fray Hernando de Talavera. Er verließ gerade die königlichen Gemächer, offenbar im Geiste sehr mit etwas beschäftigt, denn mit gerunzelter Stirn überrannte er sie und den Wasserkrug, den sie trug - Isabella trank keinen Wein - beinahe.
    Sie prallten aneinander, und Layla ließ den Krug fallen. Wasser bespritzte sie beide, und er entschuldigte sich als Erster. »Verzeih mir, mein Kind, ich war in Gedanken.«
    Layla murmelte ebenfalls eine Entschuldigung und machte sich daran, die Scherben aufzulesen, als sie überrascht feststellte, dass er neben ihr niederkniete, um ihr zu helfen.

    Dabei musterte er sie nachdenklich. »Du kommst mir bekannt vor. Oh - verzeiht - seid Ihr nicht die Enkeltochter von Sancho de Solis?« Widerwillig bestätigte Layla seine Vermutung. »Ich habe Euch noch nicht bei der Beichte gesehen«, sagte Fray Hernando de Talavera.
    Eigentlich hatten die Damen der Königin das Privileg, bei ihrem Beichtvater zu beichten, aber, wie Luisa Layla versichert hatte, taten die meisten es nur einmal, der Form halber.
    »Er ist so streng! Auch der König geht nur sehr ungern zu ihm. Als er König von Aragon wurde, soll Talavera ihm eine Liste von Mahnungen geschickt haben - mehr innere Demut, mehr äußere Autorität, mehr Treue zur Königin. Mein Vetter ist Staatssekretär und er hat mir erzählt, der König wäre beinahe erstickt, als er diese Liste…«
    »Ihr geht auch nicht oft zur Messe, glaube ich«, unterbrach der Beichtvater der Königin Laylas Gedanken. Er sagte das durchaus nicht unfreundlich. Sie schaute zu ihm auf. Sein Gesicht war das eines strengen Asketen, aber um Augen und Mund hatten sich Lachfalten eingegraben, und auch jetzt lag ein leichtes Zwinkern in seinen Augenwinkeln.
    »Meine neuen Pflichten nehmen, hm, viel Zeit in Anspruch, und es ist alles so überwältigend für mich«, entgegnete sie lahm. Auf keinen Fall hätte sie ihm den wahren Grund genannt, nämlich,

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