Mondlaub
hatte. Layla und ihr Neffe standen nicht mehr ganz so sehr auf Kriegsfuß wie zu Beginn seiner Geiselzeit, aber sie waren noch weit von einem Friedensschluss entfernt. Es gab nur gelegentliche Waffenstillstände.
In diesen Tagen fehlte ihr allerdings die Energie, um sich mit Suleiman herumzustreiten. Sie hatte so viel Widersprüchliches über den Tod ihrer Eltern gehört - einige behaupteten, al Zaghal habe ihre Mutter verdächtig schnell in Almunecar begraben, andere wollten wissen, sie seien in Granada beerdigt worden, aber ohne gebührendes Zeremoniell, und beide Leichen hätten beim Anblick al Zaghals wieder zu bluten angefangen: das sichere Zeichen für einen Mörder, auch wenn Giftmord und Blut unvereinbar waren. Einigen wilden Gerüchten zufolge war ihre Mutter sogar noch am Leben und wurde von al Zaghal in der Alhambra gefangen gehalten.
Es gab natürlich jemanden, den Layla hätte fragen können. Der ihr auch erklärt hätte, warum Suleimans Wachen verstärkt worden waren und wie genau der Krieg derzeit verlief. Aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen, als Jusuf zu rufen - nicht nur wegen der Todesdrohung, sondern auch, weil er so unglaublich sicher gewesen war, dass sie ihn wieder brauchen würde.
Also beschloss sie, sich an die Königin selbst zu wenden. Layla hatte selbstverständlich einen Verdacht, nur konnte sie sich nicht vorstellen, unter welchen Voraussetzungen sich Muhammad und al Zaghal verbünden würden.
Dass Don Martin sogar zögerte, sie gehen zu lassen, wohin sie wollte, bestärkte ihre Ahnung nicht nur, es machte sie auch wü tend. Sie teilte ihm mit, sie sei an diesem Hofe keine Gefangene, und wenn es ihr gefiele, die Königin aufzusuchen, dann täte sie das. Ob nun Don Martins Gutmütigkeit siegte oder der Name der Königin gemeinsam mit Laylas Auftreten einen gewissen Eindruck auf ihn machte, er entschied, das Mädchen passieren zu lassen.
In der großen Galerie traf sie neben einigen anderen Hofdamen auch Luisa de Castro an und bat diese, ihr eine Audienz zu verschaffen. Während Layla darauf wartete, räusperte sich neben ihr jemand.
»Doña Lucia? Ich… nun… ich wollte mich bei Euch entschuldigen. Ich wusste nicht, wer Ihr wart, als ich… nun, bei unserer letzten Begegnung.«
Sie runzelte die Stirn und versuchte, sich daran zu erinnern, wer der blonde junge Mann war, der sie angesprochen hatte; dann erinnerte sie sich wieder. Es handelte sich um den Höfling, der sich über die maurischen Barbaren ausgelassen hatte. Ihr kam in den Sinn, dass es für ihr Anliegen besser war, wenn er der Kö nigin nichts davon erzählte, und sie beschloss, nett zu ihm zu sein.
»Nun, dann seid Ihr jetzt mir gegenüber im Vorteil«, sagte Layla mit einem schwachen Lächeln, »denn ich weiß noch immer nicht, wer Ihr seid.«
Er warf sich in die Brust und verkündete mit sichtbarem Stolz:
»Juan Ponce de Leon, der jüngste Sohn des Helden von Alhama.«
»Warum«, erkundigte sie sich spitz, »begleitet Ihr dann jetzt nicht den Helden von Alhama zu seinen nächsten Heldentaten?«
Eine helle Röte färbte das Gesicht des jungen Mannes, und Layla verwünschte sich selbst. Seit sie in Kastilien war, war sie immer scharfzüngiger geworden, und sie fragte sich plötzlich niedergeschlagen, ob sie überhaupt zu dem Leben einer gläubigen Moslemin zurückkehren wollte. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte. Mit dem Tod ihrer Eltern - und tot waren sie zweifellos - war die letzte Brücke hochgezogen worden, über die sie noch nach Granada hätte kommen können.
»Mein Vater«, erwiderte Don Juan steif, »hat mir die Ehre erwiesen, mich der Leibgarde der Königin anzuvertrauen.« Dann grinste er plötzlich. »Außerdem sind alle meine Brüder und Vettern im Feld, und ich kann Euch versichern, Doña Lucia, gegen eine ganze Familie von Helden zu bestehen, wenn man selbst der jüngste und unbedeutendste ist… nun, das fällt nicht immer leicht. Deswegen bin ich nicht unfroh, hier zu sein.«
Seine Offenheit war entwaffnend und sie änderte ihre Einschätzung ein wenig. »Ich habe gehört«, sagte sie beiläufig, »bei der Belagerung von Loja gibt es Schwierigkeiten.« Es war ein Schuss ins Blaue, aber er traf.
»Dann wisst Ihr es schon?«, meinte er erstaunt. »Dieser Möchtegernherrscher, Boabdil, besaß die Frechheit, zu behaupten, Loja hätte sich ihm ergeben und er halte es als Lehen, wo doch jeder weiß, dass Loja von al Zaghals Anhängern besetzt ist - was nur eines bedeuten kann: Der
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