Mondlaub
unsere, dachte Musa ben Abi Ghassan, und doch waren wir mit Allahs Hilfe erfolgreich. Mögen wir es auch diesmal sein!
Er war im Schatten der Alhambra geboren und aufgewachsen und hatte einmal zu den Freunden des jetzigen Muhammad gezählt, bis dieser sich gegen seinen Vater erhoben hatte. Nicht, dass Musa ein glühender Anhänger des alten Emirs gewesen wäre. Abul Hassan Ali hatte es nicht verstanden, Frieden in seinem eigenen Haus zu schaffen, er hatte Alscha al Hurra, die das Blut des Propheten in sich trug, zugunsten einer christlichen Hure von sich gewiesen. Doch er war trotz all seiner Fehler der rechtmäßige Emir, und Musa hatte sich der Rebellion seines Jugendfreundes nicht angeschlossen.
Nach Abul Hassan Alis Tod standen die Dinge anders, waren schwieriger geworden. Ob die Abdankung des alten Emirs nun freiwillig oder unter Zwang erfolgt war, Muhammad war Alis ältester Sohn und damit der rechtmäßige Erbe. Andererseits respektierte Musa auch al Zaghal, sah in ihm die einzige Hoffnung, die sie noch gegen die Christen hatten. Deswegen hatte er sich zu der gefährlichen Mission bereit erklärt, die al Zaghal ihm vorgeschlagen hatte.
Unbemerkt von Fernandos Spionen nach Murcia zu kommen, war fast ein Ding der Unmöglichkeit, doch wenn er gefasst oder auch nur beiläufig gefragt wurde, konnte er jederzeit vorgeben, ein neuer Anhänger von Muhammads Sache zu sein, der jetzt, nach dem Tod seines Vaters, zu ihm stieß. Wieder unbemerkt aus Murcia herauszukommen, würde seine große Aufgabe sein, wahrlich so schwierig wie alle Aufgaben des Dschinns, der Ala-ed-Din und seiner Lampe gedient hatte, zusammen.
Er hatte seinerzeit mit Muhammad zusammen die Sprache der Christen gelernt - ein weiterer Grund, warum al Zaghal ihn ausgewählt hatte - und plante, sich notfalls als Kastilier zu verkleiden. Allerdings setzte er nicht viel Vertrauen in den Erfolg einer derartigen Verkleidung; dazu beherrschte er die Sprache nicht annähernd gut genug, ganz zu schweigen von den Gebräuchen.
Auf dem Weg nach Murcia wurde er denn auch ein paar Mal von misstrauischen kastilischen Soldaten angehalten; er brachte seine vorbereitete Ausrede vor und man glaubte ihm. Zumindest ließ man ihn gehen.
Musa ben Abi Ghassan erschrak, als er Muhammad wieder sah - nicht, weil Muhammad sich so sehr verändert hatte, nein, weil er sich fast überhaupt nicht verändert hatte. Wir sind alle schnell gealtert im Krieg, dachte Musa, und es zeigt sich; aber er, er sieht aus wie ein Gespenst aus unserer Jugend - der Prinz, der nicht begriffen hat, dass das Märchen vorbei ist.
Muhammad schien sich aufrichtig zu freuen, ihn zu sehen. Er fragte nach seiner Mutter, nach denjenigen seiner Geschwister, die noch immer in Granada waren, nach alten Freunden und Bekannten. Musa antwortete unbeschwert, als wäre nie etwas geschehen, und die Falschheit der ganzen Szene schnürte ihm die Kehle zu. Er fragte sich, ob er der Einzige war, der es bemerkte, bis Muhammad ihm eine weitere Hammelkeule reichte und dabei schnell flüsterte: »Geh bald nach draußen, als sei dir schlecht. Ich folge dir dann.«
Musa zuckte nicht einmal zusammen, verriet mit keiner Geste, dass er verstanden hatte. Fünf Minuten später rülpste er und stand auf. »Ich fürchte, so viel auf einmal nach den mageren Zeiten ist mir nicht…«
Weiter kam er nicht; er begann zu würgen und stürzte aus dem Raum. In den Kreuzgängen, die mit ihren viereckigen Säulen und den klobigen, groben Steinen der Alhambra so unähnlich waren, musste er nicht lange warten. Bald zeichnete sich Muhammads Gestalt vor dem hellen Licht, das aus dem Speisesaal drang, ab. Plötzlich war Musa um Worte verlegen.
Schließlich fragte er: »War das wirklich nötig?«
»Du willst doch nicht«, antwortete Muhammad ausdruckslos,
»dass die Botschaft meines Onkels von einem von Fernandos Spionen gehört wird. Jeder meiner Diener ist einer, und was meine Freunde angeht…« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn nur jeder Zweite in Fernandos Sold steht, habe ich Glück. So viel zu meinem teuren Verbündeten, dem König von Aragon und Prinzgemahl von Kastilien.«
»Wie kannst du so leben?«, fragte Musa. »Und woher weißt du, dass ich eine Botschaft von al Zaghal habe?«
»Ich bin nicht dumm. Ich kenne dich und deine Ansichten.
Nichts anderes brächte dich her, denn sonst«, Muhammad nickte in Richtung Speisesaal, »wärst du schon längst hier gewesen.«
Obwohl in seiner Stimme kein Vorwurf mitschwang,
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