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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Tatsache, dass es sich einmal um einen ehrenvollen Beinamen gehandelt hatte, war für ihn nur Salz in der Wunde.
    Was König Fernando über das Fiasko dachte, erfuhr niemand.
    Ohne die Geschütze musste er vorläufig auf die Eroberung von Moclin verzichten, doch er lernte daraus. Fortan ließ sich seine Armee nur noch auf Belagerungen und Gefechte auf offener Ebene ein. Und in rascher Folge eroberte sie Cambil, Albahar und Zalea.

    Almunecar, dachte al Zaghal, war noch immer ein Ort der Erquickung, wie in Friedenszeiten - wenn es denn je echten Frieden gegeben hatte. Doch er konnte die Anzeichen des Krieges auch hier erkennen. Die Basare auf den Straßen boten weniger Waren feil, die jungen Männer, die noch hier waren, waren zum größten Teil verwundet, und die Frauen und alten Leute waren bei weitem in der Überzahl. Trotzdem wäre es ein guter Ort zum Sterben für Ali gewesen. Wenn er anders gestorben wäre, nicht als verkrüppelter, vorzeitig gealterter Mann, in dem Bewusstsein, dass er sein Reich und seine Familie entzweigerissen hatte.
    Al Zaghal war auf die Nachricht hin, dass sich für seinen Bruder das Ende näherte, sofort gekommen, fand ihn aber nicht mehr lebend vor. Stattdessen traf er auf die Christin.

    »Ihr!«, sagte er nur. Sie schwieg. Seit er ihr das letzte Mal begegnet war, hatte sie ihre strahlende Jugend verloren, doch nicht ihre Schönheit. Außerdem war etwas an ihr anders, wenn er auch nicht sofort erklären konnte, was.
    »Also war es kein bloßes Gerücht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Euch noch einmal sehen würde.«
    »Noch ich Euch, Sejid.«
    Er schaute zu seinem toten Bruder hinunter, dann wieder zu ihr.
    Obwohl er kein Freund des »Wenn nur«, mit dem so viele Männer ihre nutzlosen Träumereien begannen, war, stieg in ihm die Galle hoch. »Ich werde seine Schätze mit nach Granada nehmen«, sagte er barsch, »und Euch auch. Was mit Euch geschieht, weiß ich noch nicht. Aber rechnet lieber nicht mit Respekt der Witwe meines Bruders gegenüber, Weib.«
    »Macht Euch darum keine Gedanken«, antwortete sie mit einem süßen Lächeln, und einen Augenblick lang sah er die herzzerbrechende Lieblichkeit, die seinen Bruder bezaubert hatte.
    Plötzlich wusste er, was anders an ihr war - zum ersten Mal, seit er sie kannte, sah er Isabel de Solis, die auch den Namen Zoraya getragen hatte, in völligem Frieden mit sich selbst. Und ehe er es verhindern konnte, hatte sie sich mit einer Zielsicherheit, die er unwillkürlich bewunderte, den kleinen Dolch, den sie in der Hand versteckt gehalten hatte, ins Herz gestoßen.
    Auch im Tod verließ ihr Lächeln sie nicht. Er wartete, bis sie ihren letzten Atemzug ausgehaucht hatte. Bis zuletzt war er sich nicht sicher, ob es sich nicht nur um eine weitere ihrer Listen handelte.

    Obwohl Abul Hassan Ali schon lange dahingesiecht war und jeder seinen Tod erwartet hatte, verbreitete sich sofort das Gerücht von einem Giftmord al Zaghals an seinem Bruder, dessen christlicher Gemahlin, die so verdächtig gestorben war, und den beiden Kindern, die überhaupt nicht mehr aufgetaucht waren.

    Insgeheim hielt Fernando von Aragon dieses Gerücht für einen weiteren Beweis der Leichtgläubigkeit des Volkes. Warum sollte al Zaghal sich die Mühe machen, einen machtlosen, todkranken Mann umzubringen, was ihn nicht nur seine Beliebtheit bei der Bevölkerung kosten würde, sondern auch die Gültigkeit von Abul Hassan Alis Abdankung sehr zweifelhaft erscheinen lie ße? Nur ein Narr würde so viel für so wenig riskieren, und al Zaghal war vieles, nur kein Narr.
    Aber ein derartiges Gerücht ließ sich wunderbar ausnützen, um die Mauren weiter zu entzweien, und vielleicht, so äußerte der König dem Rat und seiner Königin gegenüber, ließ sich dann mit dem nutzlosen Boabdil, der im Exil des kastilischen Murcia eine Art Schattenregime führte, doch noch etwas anfangen.

    Musa ben Abi Ghassan wünschte sich manchmal, nur hundert Jahre früher geboren zu sein, in der Regierung des vierten Muhammad, der, obwohl jung, ein großer Soldat gewesen war und den Jabal Tariq, Gibraltar, von den Christen zurückerobert hatte. Dieser Muhammad hatte, wie mancher seiner Vorgänger und auch seiner Nachfolger, nicht nur mit den Christen, sondern auch mit seinen Brüdern aus Afrika zu kämpfen, welche die Bitte um Unterstützung ein wenig zu wörtlich genommen hatten. Doch am Ende siegte er über beide.
    Auch das war eine schwierige Zeit gewesen, bestimmt nicht schwieriger als

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