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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Ihr begreift immer noch nicht, Onkel. Es ist zu spät. Das Einzige, was Ihr für Malaga noch tun könnt, ist, Hamid al Zegri zu raten, dass er die Stadt sofort den Christen übergibt. Auf diese Art stirbt wenigstens kein Granader mehr bei diesem aussichtslosen Kampf gegen die Christen.«
    Zuerst hatte al Zaghals Miene sich gelöst, war entspannter geworden. Dann war sie zu einer Maske erstarrt. »Also gut«, sagte er ausdruckslos, als Muhammad geendet hatte. »Es steht geschrieben: Sind auch nur zwanzig Standhafte unter euch, sie überwinden zweihundert, und so unter euch hundert sind, so überwinden sie tausend der Ungläubigen. Behalte Granada, behalte den Thron, Muhammad, was auch immer er noch wert ist. Ich werde nach Malaga gehen. Und solange noch etwas Atem in mir ist, werde ich kämpfen.«

    Isabella von Kastilien stand am Fenster des Palastes von Cordoba, als der Kardinal von Spanien eintrat. Einen kurzen Moment, bevor sie sich umdrehte, widmete sich Don Pedro Gonzales de Mendoza der Erinnerung an das siebzehnjährige Mädchen, das ihm in aller Gelassenheit ihren Anspruch auf die Krone auseinander gesetzt und ihn dann gefragt hatte, ob sie auf die Unterstützung der Kirche und der Mendoza, der mächtigsten kastilischen Familie, zählen konnte. Viel Zeit war seither vergangen. Aber Isabella hatte nichts von der Unbedingtheit ihres Willens verloren, als sie sich jetzt an ihn wandte. Dass sie nicht niederkniete, um seinen Ring zu küssen, nahm er ihr nicht weiter übel - er selbst empfand das zuweilen als recht lästig -, doch es zeigte, in welcher inneren Unruhe sie sich befinden musste.
    Isabellas Wahrung der kirchlichen Formen war sonst makellos.
    »Unser Spion bei al Zaghal hat sich ausgezahlt«, begann sie ohne Umschweife. »Die Armee des Usurpators verließ die Hauptstadt, und Don Fadrique ließ sich von den Versicherungen Boabdils, sein Onkel habe aufgegeben, in Sicherheit wiegen. Mit Don Fadrique müssen wir uns noch einmal beschäftigen, und mit el Chico auch. Es zeigt sich, was seine Vasallenschwüre wert sind. Doch worauf es ankommt, Euer Eminenz, ist dies: Al Zaghal hat vor, unserer Armee nach Malaga zu folgen und sie dann, wenn sie sich erst vor den Toren der Stadt niedergelassen hat, anzugreifen.«
    »Santiago!«, entfuhr es dem Kardinal. »Der einzige Grund, warum wir Boabdil unterstützten, war doch, dass er al Zaghal in Granada festhalten sollte.«

    Isabella neigte flüchtig den Kopf. »Ich sagte schon, wir werden uns noch mit ihm beschäftigen. Aber ist Euch die Lage klar, Euer Eminenz?«
    Kardinal Mendoza nickte langsam. »Der König darf auf keinen Fall zwischen zwei maurische Streitkräfte geraten.«
    »Und Ihr seid der einzige Befehlshaber, der eine Armee führen kann und der noch zur Verfügung steht«, fügte die Königin hinzu. Eigentlich, überlegte Mendoza flüchtig, ziemte es sich für einen Kardinal nicht, ein derartig berauschendes Triumphgefühl bei der Aussicht auf Kampf zu empfinden. Doch wäre er nicht der jüngste Sohn und für die Kirche bestimmt gewesen, er hätte zweifellos jetzt als Feldherr einen Ruf, der dem des Marquis von Cadiz um nichts nachstünde. Er hatte das während des Erbfolgekrieges mehr als einmal bewiesen. Und er würde es wieder beweisen.
    »Ich habe verstanden, Euer Hoheit«, sagte er lächelnd.
    Zwei feine Falten zeigten sich auf der Stirn der Königin. »Ich hoffe nur«, meinte sie, »dass der Eilkurier, den ich an meinen Gemahl geschickt habe, auch durchkommt. Dann werden wir den Spieß umdrehen. Und al Zaghal zwischen zwei christlichen Armeen einschließen.«
    Mendoza, in Gedanken schon bei der Zusammenstellung einer Truppe, wollte sich verabschieden, als die Königin ihm eine seltsame Frage stellte: »Beabsichtigt Ihr, selbst am Kampf teilzunehmen, Euer Eminenz?« Verwundert nickte er; er hielt es für selbstverständlich.
    Isabella seufzte. »Es mag sein, dass mir als Frau die höhere Einsicht fehlt, doch ich halte es für unvernünftig, wenn unsere wichtigsten Anführer ständig ihr Leben aufs Spiel setzen. Es wäre mir lieber, Ihr würdet Euch wie der König auf die Planung beschränken, Euer Eminenz.«
    »Aber Soldaten brauchen einen Anführer, dem sie folgen können«, protestierte der Kardinal überrascht. »Wenn sie nicht sehen, dass sich ihr Befehlshaber in die gleiche Gefahr wie sie selbst begibt, verlieren sie womöglich den Glauben an die heilige Sache.«

    Vorhin hatte ihn die Königin wieder an ein Mädchen erinnert, jetzt erlebte er ein

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