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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Versuchung an, ihm die Pest an den Hals zu wünschen - was ohnehin nichts genutzt hätte -, und sagte ungnädig: »Nun ja, ich habe es damals überlebt, ich werde es auch jetzt überleben.«
    »Überleben… sicher. Diesmal schon. Aber dein Leben wird kürzer. Jedes Mal, wenn ich dich berühre, nehme ich mir ein paar Jahre.« Er näherte sich ihr, lautlos wie eine Katze. »Doch das weißt du… nicht wahr, Layla?«
    Sie hielt dem Blick seiner unmenschlichen Augen stand. »Ja«, flüsterte sie. »Ich weiß.«
    Und sie streckte ihm ihre Hand entgegen. Er schüttelte den Kopf. »Deswegen schätze ich dich so, Layla. Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der seinem Tod wissentlich die Hand gibt, ohne dabei verzweifelt zu sein, im Gegenteil, voller Mut. Aber die Ansprüche des Todes wachsen, mein Kind. Die Hand genügt nicht mehr.«
    Der Schleier legte sich um ihren Hals. Aber diesmal wollte sie sich nicht einfach willenlos ziehen lassen wie ein Vogeljunges, das von der Schlange gebannt ist. Sie hatte Angst, ja, aber es war die gleiche Art von Angst, dachte sie plötzlich, die sie daran gehindert hatte zu springen, als die Zwillinge im Genil schwimmen gelernt hatten. Und schließlich war sie doch gesprungen.
    Layla trat einen Schritt auf ihn zu. Zum ersten Mal schlang sie aus eigenem Willen die Arme um seinen Hals. Sie sah tiefes Erstaunen und noch etwas anderes in seinem unverwandten Blick. Dann beugte er seinen Kopf, und obwohl ihr die Kälte beinahe den Atem nahm, ließ sie sich in das reißende Wasser fallen. Und küsste ihn.

    Übergangslos befand sie sich in einem anderen Teil des Palastes von Cordoba, allein. Layla schaute an sich herunter und stellte einigermaßen erstaunt fest, dass sie noch immer sie selbst war, nicht, wie bei der Rache an Ali al Atar, Jusuf. Dann bemerkte sie, dass er diesmal Teil ihrer Gedanken war. Flüchtige Erinnerungsbilder an ein Cordoba, das sie nie gesehen hatte, zogen an ihr vorbei, und sie spürte Trauer um Menschen, deren Namen sie nicht einmal kannte. Ohne selbst den Wunsch danach zu haben, ging sie auf die nächste Tür zu und klopfte. Ein in Schwarz gekleideter Mann, der, den zahllosen Tintenflecken an seiner Hand nach zu schließen, ein Schreiber war und außerdem un übersehbar den roten Kreis trug, öffnete.
    »Verzeiht mir«, sagte Layla, wieder ohne eigenes Zutun, »aber ich muss unbedingt Euren Herrn sprechen. Es ist sehr dringend.«
    Mittlerweile glaubte sie zu wissen, wo sie - sie beide - sich befanden. Abraham Seneor war unter den Beamten, welche die Königin in Cordoba zurückgelassen hatte. Der Sekretär ließ sie eintreten, fragte sie nach ihrem Namen und versprach, sie bei seinem Herrn zu melden.
    Das Vorzimmer sah nicht sehr viel anders als das von Fray Hernando de Talavera aus. Was hast du denn erwartet? fragte sie Jusufs Stimme sarkastisch. Eine Synagoge? Abraham Seneor ließ nicht lange auf sich warten. Layla kannte ihn vom Sehen - ein würdevoller, grauhaariger Mann -, hatte jedoch noch nie mit ihm gesprochen, sodass sie sich jetzt vorstellte. Er winkte ab.
    »Ich weiß, wer Ihr seid, Doña Lucia. Aber ich kann mir nicht vorstellen, in welcher Angelegenheit ich Euch helfen könnte.«
    »Ihr müsst so bald wie möglich der Königin folgen und nach Malaga reisen. Und ich habe denselben Weg.«
    Abraham Seneors mächtige Brauen zogen sich zusammen.
    »Und warum, wenn ich fragen darf, sollte ich nach Malaga? Ich habe hier einiges zu tun, müsst Ihr wissen«, fügte er mit mildem Spott hinzu.
    Sie hätte auch gerne gewusst, was das Ganze sollte. Jusuf ließ sie nicht lange darüber im Unklaren.

    »Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung von Malaga sind Juden. Wenn die Stadt sich ergibt, dann werden die Bewohner und die Garnison nicht einfach nur gefangen genommen werden, obwohl die Könige das für den Fall einer Kapitulation versprechen. Man wird viele töten und entgegen aller Vereinbarungen den größten Teil der Bürger von Malaga als Sklaven verkaufen, um die Kriegskosten zu decken und um Christen dort ansiedeln zu können. Ihr wärt zumindest fähig, die Juden auszulösen und vor der Sklaverei zu retten. Das würde die Kö nigin Euch gestatten.«
    Sowie Layla aufhörte zu sprechen, kam ihr die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie - was Jusuf - gesagt hatte, zu Bewusstsein.
    Sie schaute auf ihre Hände und bemerkte, dass sie zitterten. Abraham Seneor setzte mit einem Ruck den Becher, den er gerade gefüllt hatte und ihr anbieten wollte, auf den Tisch neben

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