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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sich.
    Dann fing er sich wieder.
    »Doña Lucia, das ist eine sehr schwere Anschuldigung, die Ihr da erhebt. Falls es wahr ist, was Ihr behauptet - und ich kann es nicht glauben -, woher wollt Ihr das wissen? Die Königin wird Euch wohl kaum erzählt haben, was sie jedem anderen verschwiegen hat.«
    Eingedenk der Gebietsverteilung von Granada, von der anscheinend sogar die jüngsten Söhne der Betroffenen wussten, sagte Layla aus eigener Initiative, bevor sie sich zurückhalten konnte: »Ihr seid nicht jeder andere, Don Abraham.«
    Seine Augen verengte« sich. »Nein. Und ich bin auch nicht Don Abraham. Nach dem Erlass Königs Juans II. ist es verboten, Juden mit Don oder Doña anzusprechen. Dennoch, meine Frage bleibt: Woher wollt Ihr das wissen? Und warum sollte ich Euch glauben?«
    Die Worte quälten sich aus ihrem Mund wie widerwillig geborene Kinder. »Vergießet Träne um Träne, nieder rinnt mein Auge als Träne, denn gefangen ward die Herde des Herrn. Rabbi Elasar sagte: Was sollen diese drei Tränen? Eine wurde über das erste Heiligtum vergossen, eine über das zweite Heiligtum und eine über Israel, das sie von seiner Stätte der Verbannung führten.«
    Der Sekretär, der eben wieder aus dem Vorzimmer eingetreten war, ließ das Dokument fallen, das er in der Hand hielt. Abraham Seneor starrte Layla fassungslos an.
    »Aber… aber das ist unmöglich«, stieß er hervor. »Keiner der gojim kennt den Talmud und auch von uns kennt ihn keine Frau.«
    Layla wartete, doch Jusuf hatte sich zurückgezogen. Er ließ sie weder etwas sagen, noch half er ihr mit einer Erinnerung. Sie wusste noch nicht einmal, wer oder was der Talmud war. In Gedanken häufte sie Verwünschungen auf das Haupt des Ifrit.
    Es entsprach wohl seinem merkwürdigen Sinn für Humor, sie in eine solche Lage zu bringen und dann allein zu lassen. Mit zwei Juden, die sie anblickten, als hätte sie so etwas wie ein schweres Sakrileg begangen.
    »Ich kenne ihn ebenso wie die Absicht der Königin mit den Bewohnern von Malaga«, versicherte sie inbrünstig. »Glaubt Ihr mir jetzt, Don Abraham? Und werdet Ihr mir helfen?«
    »Ich… ich werde darüber nachdenken«, sagte der Vorstand aller jüdischen Gemeinden in Kastilien schließlich, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Kommt morgen wieder, dann werde ich Euch mitteilen, wie ich mich entschieden habe. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt…«
    »Oh, selbstverständlich.« An dem immer noch versteinerten Schreiber vorbei eilte sie so schnell wie möglich aus dem Raum hinaus. Doch die Tür, die Layla öffnete, führte sie weder in das Vorzimmer noch in den Flur, sondern in das leere Gemach, in dem sie nach Jusuf ben Ismail gerufen hatte.
    Sie stand dort nicht länger als eine Sekunde, ehe eine gewaltige Erschöpfung auf sie niederfiel wie ein Mantel aus Stein. Ihre Knie gaben nach, und sie stürzte auf den Boden, doch diesmal verlor sie nicht das Bewusstsein.
    »Verschmelzungen«, sagte Jusuf, kniete neben ihr nieder und hielt sie mit beiden Händen fest, »sind leider immer sehr kraftraubend.«
    Sie war außerstande, ihm zu antworten; sie hörte ihn kaum. Er runzelte die Stirn und bei jedem anderen hätte sie geschworen, er blicke besorgt drein. Aber da es Jusuf war, musste sie sich wohl täuschen, und außerdem konnte sie ohnehin bald nichts mehr erkennen als ein schwarzweißes Flirren. Sie verstand das nicht; selbst nach dem Kampf mit Ali al Atar hatte sie sich nicht so schlecht gefühlt. Jemand hob sie auf, jemand trug sie aus dem Zimmer. Sie lag in ihrem eigenen Bett, und jemand gab ihr zu trinken, etwas Heißes, Salziges, das sie wie eine Verdurstende in sich hineinsaugte und dann beinahe erbrach. Als sich ihr Magen wieder etwas beruhigt hatte, kam die Erschöpfung zurück, diesmal in Form einer wohltätigen Müdigkeit, und sie schlief ein.

    Das helle, ungedämpfte Licht einer Lampe zwang sich zwischen ihre Augenlider und Layla öffnete sie widerwillig.
    Da stand Suleiman, eine Öllampe hochhaltend wie Ala-ed-Dins Geist; dem Hemd nach zu urteilen, das er trug, war es Nacht und er kam geradewegs aus dem Bett. Nacht? Vorhin war es doch noch kaum Mittag gewesen. Sie setzte sich mühsam auf.
    Ein erleichtertes Grinsen breitete sich über Suleimans Gesicht und zeigte deutlich seine Zahnlücken.
    »Ha! Ich hab Doña Maria doch gesagt, dass du heute noch aufwachen würdest!«
    Ihr Kopf dröhnte; sie fasste sich mit den Fingerspitzen an die Schläfe. »Wie bin ich hierher gekommen, Suleiman?«
    »Der

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