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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Layla hatte es aufgegeben, mit einem von beiden zu sprechen. Stattdessen wartete sie, bis in Cordoba, wo außer Don Martin nur noch wenige Beamte, ihre Familien und leider auch Don Sancho zurückgeblieben waren, wieder der schläfrige Alltag einkehrte.
    Dann zog sie sich in einen der vielen Räume zurück, die nun leer standen. An den Wänden waren noch Spuren der zahllosen Koranzitate zu erkennen, die auch die Alhambra zierten. Es gibt keinen Sieg außer Allah. Layla berührte den silbernen Ring, den sie mittlerweile an einer Kette um den Hals trug, und flüsterte:
    »Jusuf ben Ismail, bitte komm, wo immer du auch gerade bist.«
    Es rührte sich nichts und sie sagte ärgerlich und weit weniger leise: »Das ist nicht die Zeit für deine Scherze, Ifrit. Es ist dringend - ich brauche dich!«

    »Nun, in diesem Fall…«
    Er hatte entschieden eine Vorliebe dafür, hinter ihrem Rücken aufzutauchen. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass er wieder arabische Kleidung trug, wie damals, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Er verschränkte die Arme.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass du diesen reizenden jungen Ritter nicht heiraten willst, der dir so hingebungsvoll den Hof gemacht hat?«
    Er versuchte schon wieder, sie zu einem Temperamentsausbruch zu provozieren, aber diesmal war sie auf der Hut. Außerdem erinnerte sie sich noch gut an den Blick, mit dem er Juan gemustert hatte.
    »Nicht nur das«, erwiderte Layla gelassen. »Ich möchte Kastilien verlassen. Ich möchte zurück«, sie konnte nicht verhindern, dass Sehnsucht in ihre Stimme kroch, »zurück nach Granada. Kannst du mir dabei helfen?«
    Tatsächlich hatte sie sich schon selbst mehrere Fluchtpläne überlegt. Sie hätte sich verkleiden und versuchen können, mit Isabellas Tross zu reisen. Aber die Gefahr einer Entdeckung war zu groß, Juan in unmittelbarer Nähe, und außerdem war ihr der Gedanke zuwider, mit einem christlichen Heer nach Granada zu reisen. Eine andere Möglichkeit wäre, sich einfach ein Pferd zu besorgen und allein loszureiten. Doch dazu fehlte ihr nicht nur das Geld, sondern auch das Geschick, um eines zu stehlen. Und sie war vor Heimweh keineswegs närrisch geworden: Eine allein reisende Frau in einem mittlerweile völlig gesetzlosen, kriegzerrissenen Land hatte in etwa so viel Überlebensmöglichkeiten wie ein Fisch in der Wüste. Es war an sich schon töricht genug, überhaupt nach Granada zurückkehren zu wollen. Was erwartete sie schließlich dort? Doch in den letzten Tagen, als sie beobachtet hatte, wie die Königin und ihre Untergebenen sich beeilten, um nur nicht zu spät zum Fall von Malaga zu kommen, wie die Höflinge schon untereinander Granada verteilten, da konnte sie es nicht mehr ertragen. Eine lange unterdrückte Stimme in ihr wurde laut und fragte: Was tust du hier, Tochter von Abul Hassan Ali? Und das Bild der Alhambra mit ihren Springbrunnen, mit den Orangenbäumen und dem dunklen Laub der Myrten wurde einmal mehr in ihr lebendig, pochte so schmerzhaft wie das Blut einer Fiebernden.
    »Ich will nach Hause«, sagte Layla zu dem Ifrit, der sie schweigend musterte, und bemerkte kaum, dass sie dabei nicht älter als Suleiman klang. »Ich will nach Hause.«
    So schnell, dass sie die Berührung kaum spürte, griff Jusuf nach ihrem Kopf und löste den durchsichtigen Haarschleier. »Wenn du es wünschst«, sagte er zerstreut, während er den Schleier durch seine Finger gleiten ließ, »dann soll es geschehen. Ich weiß, wie du einigermaßen sicher nach Granada kommen könntest. Aber nicht umsonst, kleines Mädchen.«
    »Ich weiß, dass du nichts umsonst tust«, gab sie wütend zurück.
    »Du bist der eigennützigste Geist, der mir je begegnet ist.«
    »Der einzige Geist, der dir je begegnet ist«, korrigierte er, und wider Willen musste sie lächeln.
    Jusuf drehte den Schleier, bis er ein durchsichtiges Seil in der Hand hielt. »Ah, aber diesmal erfülle ich selbst eine alte Schuld.
    Meinetwegen starben Tausende von denen, die einmal mein Volk waren. Und nun sehe ich eine Möglichkeit, etwas davon wieder gutzumachen.«
    Als spürte er, dass er sich ungewollt eine Blöße gegeben hatte, änderte er jäh seinen Ton und verzog spöttisch den Mund. »Auf deine Kosten, Layla. Ich fürchte, du wirst mir deinen Körper zur Verfügung stellen müssen.«
    »Was meinst du…«
    »Wie in der Kapelle.« Sein Lächeln vertiefte sich. »Oder hast du geglaubt, ich hätte etwas anderes gemeint, Layla?«
    Sie kämpfte siegreich gegen die

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