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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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»Dann brauchst du dich nicht mehr von einem Mädchen herumkommandieren zu lassen.«
    »Ich bin froh«, gab Suleiman zurück und sah sie grimmig an.
    Dann biss er sich auf die Lippen. »Aber ich… ich mag dich - irgendwie.«
    »Ich mag dich auch - irgendwie«, flüsterte sie und dann verließ sie ihn.

IV

Heimkehr
    Kein Freund blieb unter Trümmern, welcher Auskunft gäbe, wen sollten wir auch über diese Stadt befragen?
    Befragen kannst du nur die Trennung, sie allein vermeldet dir, ob sie hinauf, hinab gezogen
    Abu Amir Ihn Suheid

        
    Abraham Seneor gab Layla als einen seiner Neffen aus, was die übrige Reisegesellschaft kommentarlos akzeptierte. Layla schwieg die meiste Zeit, sodass sie auch nicht Gefahr lief, sich zu verplappern. Erst beim abendlichen Gebet kam sie in Schwierigkeiten, doch Abraham Seneor hatte auch das vorhergesehen.
    »Meine Schwester und ihr Gemahl sind conversos«, sagte er kurz.
    Die anderen Reisenden warfen Layla halb mitleidige, halb abgestoßene Blicke zu. Converso, dachte Layla, das war passender, als sie alle ahnten. Die wenigen Soldaten, die sie begleiteten, blieben für sich, obwohl Abraham Seneor sie an sein Feuer einlud. Was Layla am meisten verstörte, war, dass ihr das Hebräische, in dem die Gebete gesprochen wurden, nicht völlig unvertraut war, obwohl sie kein Wort hätte verstehen dürfen. Ein paar Mal lag ihr die nächste Silbe sogar auf der Zunge.
    »Ifrit«, flüsterte sie, »falls du da bist, dann verschwinde in die Hölle, aus der du stammst, ganz gleich, welche!«
    Es war eine Sache, dass er sie töten wollte, denn das war ihr von Anfang an klar gewesen, und er hatte es nie geleugnet; aber das bei Suleiman zu versuchen, der nicht das Geringste dafür konnte, war unverzeihlich.
    Die allmorgendlichen und allabendlichen Gebete der Juden verstörten Layla allerdings auch noch aus einem anderen Grund: Ihr wurde klar, dass sie schon lange aufgehört hatte, auf die Gebetszeiten, die der Islam vorschrieb, zu achten. Früher war sie meistens von allein aufgewacht, kurz bevor der Muezzin rief, doch das war schon lange her. Während sie Abraham Seneor und seine Glaubensgenossen dabei beobachtete, wie sie ihre Häupter neigten, versuchte sie sich an die korrekte Form der rakah zu erinnern - musste man sich zweimal zu Boden werfen oder nur einmal? Das alles war ihr einmal selbstverständlich gewesen, sie hatte nicht mehr darüber nachdenken müssen als über ihre Essgewohnheiten, und jetzt ließen sich die Erinnerungen nur noch mühsam zurückrufen, wenn überhaupt.
    Damals, als sie Granada verlassen hatte, war sie noch zu sehr von Tariqs Tod gefangen gewesen, um unter den Strapazen der Reise zu leiden. Jetzt spürte Layla mit jedem Tag, dass sie kein Caballero war, und hatte bei ihrem Muskelkater abends die größten Schwierigkeiten zu sitzen, geschweige denn einzuschlafen.
    Solange die Reisenden sich noch in Kastilien befanden, erreichten sie meist rechtzeitig eine Herberge. Dabei spielte sich immer das Gleiche ab: Der Wirt verkündete zunächst lautstark, hier sei kein Platz für Juden, worauf der kastilische Hauptmann, der sie begleitete, donnerte, hier handele es sich um den edlen Abraham Seneor, Schatzkanzler der Hermandad. Danach fand sich Raum, doch der Wirt bat sich aus, dass die Mahlzeiten in den Zimmern eingenommen würden.
    Da Layla als sein Neffe galt, teilte Abraham Seneor in der Regel mit ihr das Zimmer. Es war weit weniger peinlich oder schwierig, als sie es sich vorgestellt hatte. Er gab ihr jedes Mal die Gelegenheit, sich ungestört umzukleiden, achtete darauf, zwei Schlafgelegenheiten zu verlangen, und, was ihr noch mehr bedeutete, er fragte sie nie, warum sie eigentlich unbedingt nach Granada wollte oder woher ihre Kenntnisse stammten. Insgesamt war er der zurückhaltendste Mensch, der ihr je begegnet war.
    Als sie sich langsam der Grenze näherten und in die Berge kamen, senkte sich Vorsicht und Misstrauen über die Gruppe. Der Schatzkanzler führte keine Goldtruhen mit sich - das hätte die Reise nicht nur verzögert, sondern erheblich gefährdet; er plante, wie er Layla erklärte, seine Glaubensgenossen durch Schuldscheine auszulösen -, aber es gab Räuber, denen allein die Kleidung und die Tiere Grund genug für einen Überfall sein konnten.
    Es war Hochsommer, doch in dieser Höhe spielte das kaum eine Rolle; die Luft, die sie umgab, war kühl genug, um gefütterte Mäntel notwendig zu machen. Layla bemerkte die Kälte kaum, da sie vollauf damit

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