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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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befanden - arabische Soldaten.
    Dennoch waren es nicht genug, um als reguläre Truppen durchzugehen. Aber mehr als genug, um mit ihnen allen kurzen Prozess zu machen. Die Eskorte versuchte ihr Bestes, doch angesichts des Pfeilregens, der von den Hängen kam, hatte das wenig Sinn. Und den Juden war es verboten, Waffen zu tragen. Sie scharten sich alle um Abraham Seneor. Layla wusste, dass sie ihrem Tod noch nie so nahe gewesen war. Sie wusste jedoch auch, dass es möglicherweise noch einen Ausweg gab. Tod war Tod. Was hatte sie zu verlieren, wenn sie Jusuf rief? Nur ihren Stolz.
    Ihre Lippen bewegten sich, als die Angreifer plötzlich innehielten. Sie hörte eine Stimme, die über das Tal hinweg rief: »Das ist nicht der Heertross, den wir erwarten. Nur ein Haufen Juden. Ihr da unten, könnt Ihr mich verstehen? Falls Ihr Gold bei Euch habt, ergebt Euch lieber sofort!«
    Die Worte waren arabisch und der Sprecher kam ihr bekannt vor. Sehr bekannt. Abraham Seneor trat vor und schrie in derselben Sprache zurück: »Wir ergeben uns, aber wir haben kein Gold. Wer seid Ihr?«
    Die Männer auf den Hängen lachten, bis jemand ihnen erneut Schweigen gebot. Dann löste sich eine einzelne Gestalt von einem der Gipfel.
    »Das mit dem Gold werden wir sehen, Jude. Du hast die Ehre, al Zaghal in die Hände zu fallen.«

    Layla hätte sich ihre Haare abschneiden sollen, aber sie hatte es nicht fertig gebracht. Stattdessen hatte sie die ganze Reise über ihren Kopf mit den eng anliegenden Flechten durch einen Tailasan verhüllt und vorgegeben, sich so gegen den Wind schützen zu wollen. Jetzt erwies sich dieses Zugeständnis an ihre Eitelkeit als unerwarteter Vorteil. Al Zaghal bemerkte weibliche Wesen in der Regel kaum, wenn es sich nicht gerade um Alscha oder ihre Mutter handelte, die ihn einfach gezwungen hatten, von ihnen Notiz zu nehmen, und sie glaubte nicht, dass er sich an sie erinnern konnte. Doch mit ihrer Rückverwandlung in ein Mädchen konnte sie ihn vielleicht lange genug verblüffen, um ihn dazu zu bringen, ihr zuzuhören.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er mittlerweile kaum noch durch irgendetwas zu überraschen war. Er stutzte einen Augenblick lang, aber sowie Layla ihren Namen genannt hatte, schnaubte er einmal verächtlich, wandte sich ab und sagte über die Schulter hinweg: »Die Kinder der Christin sind tot. Ich habe schon bessere Lügen gehört.«
    Seine Männer waren inzwischen dabei, Laylas Begleiter zu untersuchen, und ließen enttäuschte Rufe hören, als sie nicht das erwartete Gold fanden. Sie hatten keine Zeit mehr zu verlieren.
    »Zweifellos wäre Euch das lieber, Sejid«, sagte sie laut genug, um von allen gehört zu werden, »wie es Euch auch lieber gewesen wäre, wenn Ihr Muhammad damals nach Tariqs Sturz vom Pferd in aller Ruhe hättet umbringen können.«
    Al Zaghal erstarrte. Langsam drehte er sich wieder um. Er war um einiges älter geworden, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, aber keineswegs schwächer. Oder weniger gefährlich. Er erinnerte sie an einen Raubvogel kurz vor dem Zustoßen. Aber sie dachte auch an ein Sprichwort, das Fatima vor langer Zeit gerne im Mund geführt hatte: Wer einen Tiger reitet, wagt es nicht abzusteigen.
    Also machte Layla weiter.
    »Ich war dabei, Sejid«, sagte sie, wenngleich mit etwas leiserer Stimme. »Ihr habt mich nicht bemerkt, weil ich hinter dem Diwan versteckt war, als Ihr mit meiner Mutter darüber geredet habt. Ihre letzten Worte an Euch waren: Gut. Ich weiß ja, wie vertraut Ihr mit dem Tod seid. Sie hatte Recht, nicht wahr?«

    Al Zaghal kam näher. Er hob ihr Kinn, nicht eben sanft, und musterte sie, als wolle er ihr Gesicht in Stein meißeln. Sie rührte sich nicht.
    »Ja«, sagte er endlich gedehnt. »Du bist ihre Tochter.« Er ließ sie los.
    »Eure Nichte«, erwiderte Layla herausfordernd, denn sie hatte ihre Identität nicht verraten, nur um ein wenig mit dem Feuer zu spielen.
    »Was«, fragte al Zaghal barsch, »tust du dann bei diesen Juden?«
    »Wir hatten denselben Weg. Ich wollte zurück nach Granada.
    Und sie wollten nach Malaga.« Layla holte tief Atem; jetzt kam es darauf an. »Es ist sehr wichtig, dass sie dort hingelangen. Sie reisen im Auftrag Abraham Seneors, der einen Teil der Gefangenen dort auslösen will.«
    Heimlich hoffte sie, dass ihre Mitreisenden sie verstanden hatten. Abraham Seneor selbst wäre eine zu wertvolle Geisel, als dass ihn al Zaghal je wieder gehen lassen würde.
    »Und wie wollen sie das anfangen«,

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