Mondlicht steht dir gut
hatten, würde eine Form von Rache darstellen. Aber hätte das Earl schon ausgereicht? Oder konnte er womöglich, irgendwie, auch mit dem Tod der Frauen selbst etwas zu tun gehabt haben? Und diese Krankenschwester, Zelda Markey – sie stand doch eindeutig mit Earl auf irgendeine Weise in Verbindung. Konnte sie seine Komplizin sein?
69
Obwohl seine übliche Abendbrotzeit schon weit überschritten war, hielt sich Polizeichef Brower noch immer im Revier auf. Es war ein hektischer und sinnlos tragischer Nachmittag gewesen, an dem sich zwei schreckliche Vorfälle ereignet hatten. Ein Wagen voller Teenager war in ein älteres Ehepaar gerast, und die beiden waren jetzt in einem kritischen Zustand. Dann hatte ein wütender Ehemann unter Mißachtung einer gerichtlichen Verfügung seine von ihm getrennt lebende Frau aufgesucht und sie angeschossen.
»Wenigstens wissen wir, daß die Frau durchkommen wird«, sagte Brower zu Haggerty. »Gott sei Dank; sie hat drei Kinder.«
Haggerty nickte.
»Wo sind Sie überhaupt gewesen?« fragte Brower vorwurfsvoll. »Lara Horgan wartet auf eine Nachricht von
uns, wann Maggie Holloway morgen früh mit uns sprechen kann.«
»Sie hat mir gesagt, daß sie den ganzen Vormittag über zu Hause ist«, sagte Haggerty. »Aber warten Sie noch eben, bevor Sie Dr. Horgan anrufen. Ich möchte Ihnen zuerst von einem kleinen Besuch erzählen, den ich bei Sarah Cushing gemacht habe. Ihre Mutter, Mrs. Bainbridge, wohnt im Latham Manor. Als ich noch ein Junge war, war ich mit Sarah Cushings Sohn zusammen in einer Pfadfindergruppe. Hab sie wirklich gut kennengelernt. Nette Dame. Sehr beeindruckend. Sehr gescheit.«
Brower wußte, daß es keinen Sinn hatte, Haggerty zur Eile anzutreiben, wenn er mit einem dieser Berichte begann. Außerdem sah er besonders zufrieden mit sich aus. Um die Dinge etwas zu beschleunigen, stellte der Chief die erwartete Frage: »Also was war der Grund für Ihren Besuch?«
»Etwas, was Maggie Holloway gesagt hat, als ich sie in Ihrem Auftrag anrief. Sie hat Earl Bateman erwähnt. Ich muß Ihnen sagen, Chief, diese junge Dame hat wirklich einen guten Riecher, wenn irgendwo was faul ist. Jedenfalls haben wir ein bißchen geplaudert.«
So wie du’s gerade jetzt tust, mein Lieber, dachte Brower.
»Und ich habe deutlich den Eindruck gewonnen, daß Miss Holloway sehr beunruhigt wegen Bateman ist, vielleicht sogar Angst vor ihm hat.«
»Vor Bateman? Der ist harmlos«, sagte Brower mit einer leichten Schärfe.
»Nun, das ist genau dasselbe, was ich gedacht hätte, aber vielleicht hat Maggie Holloway ja einen scharfen Blick dafür, wenn es darum geht, herauszufinden, was die Menschen wirklich bewegt. Sie ist immerhin Fotografin, wissen Sie. Also, sie hat jedenfalls ein kleines Problem erwähnt, das Bateman im Latham Manor hatte, einen kleinen ›Vorfall‹, der vor gar nicht allzu langer Zeit stattgefunden hat, und ich hab einen meiner Freunde angerufen, der eine Kusine hat, die dort als Hausangestellte arbeitet, und so hat eins das andere ergeben, und schließlich hat sie mir von einem Vortrag erzählt, den Bateman dort eines Nachmittags gehalten hat und der sogar dazu führte, daß eins der alten Mädchen in Ohnmacht fiel, und sie hat mir auch erzählt, daß Sarah Cushing zufälligerweise gerade da war und daß sie Bateman die Hölle heiß gemacht hat.«
Haggerty sah, wie die Lippen seines Chefs schmal wurden, ein sicheres Zeichen, daß es an der Zeit war, zum Ende zu kommen. »Deshalb bin ich also zu Mrs. Cushing gefahren, und sie hat mir gesagt, der Grund, weshalb sie Bateman auf die Straße gesetzt hätte, sei der gewesen, daß er die Heimbewohner mit seinem Vortrag über Leute, die Angst hätten, lebendig begraben zu werden, in helle Aufregung versetzt und dann exakte Kopien der Glocken ausgeteilt hat, die man im Viktorianischen Zeitalter auf Gräber zu setzen pflegte. Es war anscheinend üblich, eine Schnur oder einen Draht an der Glocke zu befestigen, und das andere Ende hat man dann an den Finger der verstorbenen Person gebunden. Die Schnur lief durch ein Lüftungsrohr vom Sarg aus zur Oberfläche des Grabhügels. Wenn man also im Sarg wieder zu Bewußtsein kam, konnte man auf diese Weise mit dem Finger wackeln, die Glocke fing oben auf dem Grab zu läuten an, und der Mann, den man dafür bezahlte, danach zu lauschen, machte sich dann ans Graben.«
»Bateman«, fuhr Haggerty fort, »hat die Damen dazu aufgefordert, ihren Ringfinger in die Schlaufe am Ende der Schnur zu
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