Mondlicht steht dir gut
war, hatte Nuala erkannt, daß Maggie, falls sie überhaupt künstlerisch begabt war, zumindest nicht als Malerin in Frage kam. »Du bist kein Rembrandt«, hatte Nuala lachend erklärt. »Aber wenn ich dich mit diesem verrückten Modellierzeug aus Plastik herumspielen seh, dann hab ich so eine Ahnung …«
Sie hatte ein Foto von Maggies Zwergpudel Porgie vor ihr aufgestellt. »Versuch ihn mal abzubilden«, hatte sie das Kind angewiesen. So hatte es angefangen. Schon seit dieser Zeit erfreute sich Maggie nun einer Liebesbeziehung zur Bildhauerei. Schon früh allerdings hatte sie begriffen, daß diese Betätigung, so künstlerisch befriedigend sie auch war, für sie nur ein Hobby sein konnte. Glücklicherweise interessierte sie sich auch für Fotografie – worin sie sich bald als wahrhaft begabt erwies –, und so hatte sie das zu ihrem Beruf gemacht. Aber ihre Leidenschaft für die Bildhauerei war nie geschwunden.
Ich weiß noch, wie wunderbar es sich angefühlt hat, meine Hände damals in den Ton zu stecken, dachte Maggie, als sie mit trockenen Augen die Stufen zum zweiten Stock hinaufstieg. Ich hab mich zwar ungeschickt angestellt, aber ich habe sehr wohl mitgekriegt, daß da etwas Bestimmtes vor sich ging, daß beim Umgang mit dem Ton eine direkte Verbindung von meinem Hirn zu meinen Fingern bestand.
Jetzt, auf die Nachricht von Greta Shipleys Tod hin, die noch gar nicht richtig zu ihr durchgedrungen war, wußte Maggie, daß sie ihre Hände in feuchten Ton stecken mußte. Das wäre eine therapeutische Maßnahme und zugleich eine Gelegenheit zum Nachdenken, um rauszufinden, was sie als nächstes unternehmen sollte.
Sie begann an einer Büste von Nuala zu arbeiten, merkte aber bald, daß statt dessen nun Greta Shipleys Gesicht ihre Vorstellung beherrschte.
Sie hatte am Abend zuvor so blaß ausgesehen, erinnerte sich Maggie. Sie mußte sich auf dem Sessel abstützen, als sie aufstand, und griff dann nach meinem Arm, als wir aus dem großen Salon zum Essen hinübergingen; ich konnte spüren, wie schwach sie war. Heute hatte sie vorgehabt, im Bett zu bleiben. Sie wollte es nicht zugeben, aber sie fühlte sich krank. Und an dem Tag, als wir zu den Friedhöfen gefahren sind, sagte sie, sie hätte das Gefühl, als würde sie zuviel bedient, als hätte sie keine Energie.
Genauso war es damals mit Dad, fiel Maggie wieder ein. Seine Freunde berichteten ihr, er hätte sich mit Müdigkeit entschuldigt und ein gemeinsam mit ihnen geplantes Abendessen abgesagt und sei früh zu Bett gegangen. Er ist nie wieder aufgewacht. Herzversagen. Genau dasselbe, was laut Dr. Lane Greta zugestoßen ist.
Leer, dachte sie. Ich komme mir so leer vor. Es hatte keinen Sinn, jetzt zu versuchen zu arbeiten. Sie fühlte sich nicht inspiriert. Sogar der Ton ließ sie im Stich.
Mein Gott, dachte sie, schon wieder eine Beerdigung. Greta Shipley hatte nie Kinder gehabt, also waren vornehmlich Freunde zu diesem Anlaß zu erwarten.
Beerdigung. Das Wort rüttelte ihr Gedächtnis wach. Sie mußte an die Aufnahmen denken, die sie auf den Friedhöfen gemacht hatte. Bestimmt waren die inzwischen entwickelt.
Sie sollte sie jetzt abholen und genau untersuchen. Doch wonach untersuchen? Sie schüttelte den Kopf. Sie wußte die Antwort noch nicht, aber sie war überzeugt davon, daß es eine gab.
Sie hatte die Filmrollen in einer Drogerie an der Thames Street abgegeben. Während sie nun den Wagen parkte, dachte sie daran, wie sie sich erst einen Tag zuvor, bloß eine Straße weiter, etwas zum Anziehen für das Abendessen mit Greta besorgt hatte. Wie sie vor weniger als einer Woche voller Vorfreude auf ihren Besuch bei Nuala nach Newport gefahren war. Nun waren beide Frauen tot. Gab es da einen Zusammenhang? fragte sie sich.
Das dicke Päckchen mit den Abzügen lag schon an der Fototheke hinten in der Drogerie für sie bereit.
Der Angestellte blickte kurz auf, als er die Rechnung in Augenschein nahm. »Sie wollten die doch alle vergrößert haben, Ms. Holloway?«
»Ja, ganz richtig.«
Sie widerstand dem Impuls, das Päckchen sofort zu öffnen. Sobald sie zu Hause war, würde sie direkt nach oben ins Atelier gehen und sich die Fotos sorgfältig ansehen.
Als sie jedoch am Haus ankam, fand sie einen BMW neueren Baujahrs vor, der gerade aus ihrer Einfahrt zurückstieß. Der Fahrer, ein etwa dreißigjähriger Mann, machte hastig für sie Platz. Danach parkte er den Wagen auf der Straße, stieg aus und kam bereits die Einfahrt hoch, als Maggie ihre Wagentür
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