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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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lang am Arbeitstisch, bis der Ton wenigstens annäherungsweise die Frau zu verkörpern begann, die Maggie nur so kurz gekannt hatte. Endlich hatte sich ihre innere Unruhe gelegt, und sie konnte sich die Hände waschen und mit der Aufgabe beginnen, die ihr, wie sie wohl wußte, am schwersten fallen würde: Nualas Gemälde auszusortieren. Sie mußte entscheiden, welche sie behalten und welche sie einem Händler anbieten sollte, wobei sie sich darüber im klaren war, daß die meisten von ihnen vermutlich auf einem Abfallhaufen landen würden, und zwar aus ihren Rahmen herausgeschnitten – Rahmen, die manche Leute höher einschätzen würden als die Kunst, der sie einst zu Glanz verholfen hatten.
    Um drei Uhr begann sie die Werke durchzugehen, die noch nicht gerahmt worden waren. In der Lagerkammer beim Atelier fand sie Dutzende von Nualas Skizzen, Aquarellen und Ölbildern, eine schwindelerregende Vielzahl, so daß Maggie bald einsah, daß sie nicht hoffen konnte, dies alles ohne professionelle Unterstützung zu bewerten.
    Die Skizzen waren zum größten Teil nur mittelmäßig, und nur wenige der Ölgemälde waren interessant – einige der Aquarelle jedoch waren herausragend. Wie Nuala selbst, dachte Maggie, strahlten sie Wärme und Freude aus und steckten voll von tiefgreifenden Überraschungen. Ganz besonders gefiel ihr eine Winterszene, in der ein Baum mit seinen schneebeladenen, nach unten gebogenen Ästen einem dazu nicht eigentlich passenden Kreis blühender Pflanzen, darunter Löwenmäulchen und Rosen, Veilchen und Lilien sowie Orchideen und Chrysanthemen, Schutz bot.
    Maggie war so sehr in ihre Arbeit vertieft, daß es schon nach halb sechs war, als sie gerade noch rechtzeitig nach unten eilte, um ans Telefon zu gehen, das sie geglaubt hatte läuten zu hören.
    Liam war am Apparat. »Hör mal, das ist jetzt mein dritter Anlauf, um dich zu erwischen. Ich hab schon befürchtet, du versetzt mich«, sagte er mit Erleichterung in der Stimme. »Ist dir eigentlich klar, daß meine einzige Alternative für heute abend mein Vetter Earl war?«
    Maggie lachte. »Entschuldige. Ich hab das Telefon nicht gehört. Ich war im Atelier. Ich nehme an, daß Nuala nichts von Nebenapparaten gehalten hat.«
    »Ich schenk dir einen zu Weihnachten. Also hol ich dich dann in ungefähr einer Stunde ab?«
»Wunderbar.«
    Das sollte mir gerade noch genug Zeit geben, ein warmes Bad nehmen zu können, dachte Maggie, als sie
    den Hörer auflegte. Es war unverkennbar, daß die Abendluft empfindlich abzukühlen begann. Das Haus kam ihr zugig vor, und auf eine merkwürdige und unangenehme Weise schien es Maggie, als könne sie noch immer die Kälte der feuchten Erde spüren, die sie auf den Gräbern berührt hatte.
    Als das Wasser in die Wanne lief, glaubte sie erneut das Telefon zu hören, und stellte rasch die Wasserhähne ab. Es war jedoch kein Klingeln von Nualas Zimmer her zu vernehmen. Entweder hab ich gar nichts gehört, oder ich hab schon wieder einen Anruf verpaßt, folgerte sie.
    Nach dem Bad angenehm entspannt, zog sie sich mit Bedacht den neuen weißen Abendpullover und den dreiviertellangen schwarzen Rock an, die sie beide ein paar Tage zuvor gekauft hatte, und hielt es dann für angebracht, ihrem Make-up etwas Sorgfalt zu widmen.
    Es macht Spaß, sich für Liam herauszuputzen, dachte sie. Ich fühle mich einfach gut in seiner Gegenwart.
Um Viertel vor sieben wartete sie im Wohnzimmer, als es an der Haustür läutete. Liam stand mit einem Dutzend langstieliger Rosen in der Hand auf der Türschwelle, in der anderen Hand ein zusammengefaltetes Stück Papier. Die Wärme in seinen Augen und der leichte Kuß, der noch eine Weile auf ihren Lippen nachwirkte, sorgten dafür, daß Maggies Herz plötzlich einen Sprung machte.
»Du siehst umwerfend aus«, sagte er zu ihr. »Ich muß mir wohl für heute abend was anderes einfallen lassen. McDonald’s kommt offenbar nicht in Frage.«
Maggie lachte. »Ach, wie schade! Und ich hab mich schon so auf einen Big Mac gefreut.« Sie überflog schnell die Notiz, die er mit hereingebracht hatte. »Wo war das denn?«
»An Eurer Haustür, Madame.«
»Ach, ja natürlich. Ich bin vorhin durch die Küchentür reingekommen.« Sie faltete den Zettel wieder zusammen. Neil ist also in Portsmouth, dachte sie, und will sich mit mir treffen. Ist das nicht nett? Sie haßte es, sich einzugestehen, wie enttäuscht sie gewesen war, als er letzte Woche vor ihrer Abreise nicht angerufen hatte. Und dann dachte sie daran,

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