Mondlicht steht dir gut
Wache zu halten, falls die Person in dem Sarg tatsächlich wieder zu Bewußtsein kam und versuchte, die Glocke zum Läuten zu bringen.«
»Du lieber Gott«, rief Maggie keuchend.
»Nein, aber jetzt kommt der beste Teil, der Teil mit Earl. Ob du’s glaubst oder nicht, er hat hier in der Nähe des Bestattungsunternehmens so eine Art Museum, das mit allen möglichen Trauersymbolen und entsprechendem Drum und Dran angefüllt ist, und er hatte die grandiose Idee, ein Dutzend Kopien einer viktorianischen Friedhofsglocke gießen zu lassen, um sie zur Veranschaulichung seines Vortrags zu verwenden. Ohne ihnen zu sagen, worum es sich dabei handelt, hat der Schwachkopf die Dinger an zwölf der Damen ausgeteilt, alle in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern, und hat ihnen die Schnur, die an jeder Glocke befestigt ist, an den Ringfinger gebunden. Dann hat er erklärt, sie sollen jetzt die Glocke mit der anderen Hand festhalten, den Finger hin und her bewegen und so tun, als wären sie in einem Sarg und versuchten, sich bei dem Grabwächter bemerkbar zu machen.«
»Wie abscheulich!« sagte Maggie.
»Eines der alten Mädchen ist tatsächlich in Ohnmacht gefallen. Die Tochter von Mrs. Bainbridge hat Earls Glocken wieder eingesammelt und war so außer sich, daß sie ihn mitsamt seinen Glocken praktisch rausgeworfen hat.«
Liam hielt inne, bevor er mit nun ernsterer Stimme hinzufügte: »Das Beunruhigende daran ist, daß ich glaube, Earl hat selber Spaß dran, diese Geschichte zu erzählen.«
49
Neil hatte wiederholt versucht, Maggie telefonisch zu erreichen, zunächst vom Umkleideraum im Klub aus und dann, sobald er wieder zu Hause angelangt war. Entweder ist sie schon den ganzen Tag außer Haus, oder sie ist nur sporadisch da, oder sie geht nichts ans Telefon, dachte er. Doch selbst wenn sie die meiste Zeit weg war, hätte sie doch mit Sicherheit seine Nachricht gesehen.
Neil begleitete seine Eltern auf ein paar Cocktails zum Haus eines Nachbarn und versuchte dort Maggie erneut gegen sieben anzurufen. Er beschloß dann, seinen eigenen Wagen zum Restaurant mitzunehmen, damit er die Möglichkeit hatte, auf einen Drink bei ihr vorbeizuschauen, falls er sie später doch noch erreichen sollte.
Sechs Leute gehörten zu der Tischrunde im Canfield House. Und obwohl der Hummer à la Newburg vortrefflich schmeckte und Neils Tischnachbarin Vicky, die Tochter der Freunde seiner Eltern, eine sehr attraktive leitende Bankangestellte aus Boston war, war Neil äußerst unruhig.
In dem Bewußtsein, wie unhöflich es gewesen wäre, sich dem abschließenden Drink in der Bar zu entziehen, saß er während des belanglosen Geplauders wie auf glühenden Kohlen da, und als sich schließlich alle um halb elf erhoben, um aufzubrechen, schaffte es Neil, Vickys Aufforderung zu einem Tennismatch am Sonntag vormittag mit ihr und ihren Freunden einigermaßen galant abzulehnen. Endlich saß er dann mit einem Seufzer der Erleichterung in seinem Wagen.
Er sah auf die Uhr; es war Viertel vor elf. Falls Maggie zu Hause und bereits zu Bett gegangen war, wollte er sie nicht stören. Um seine Entscheidung, bei ihrem Haus vorbeizufahren, zu rechtfertigen, redete er sich ein, er wolle einfach nur nachsehen, ob ihr Wagen in der Einfahrt stand – nur um sicherzugehen, daß sie noch in Newport war.
Seine ursprüngliche Freude darüber, daß er ihren Wagen tatsächlich dort stehen sah, erhielt einen Dämpfer, als er bemerkte, daß ein weiterer Wagen vor ihrem Haus geparkt war, ein Jaguar mit einem Nummernschild aus Massachusetts. Neil fuhr im Schneckentempo am Grundstück vorbei und hatte das Glück, die Haustür offenstehen zu sehen. Er erhaschte den Anblick eines großgewachsenen Mannes, der neben Maggie stand, gab dann jedoch, da er sich wie ein Voyeur vorkam, Gas und fuhr am Ocean Drive um die Ecke, zurück in Richtung Portsmouth, während ihm Bedauern und Eifersucht böse auf den Magen schlugen.
SAMSTAG, 5. OKTOBER
50
Zu dem Requiem für Greta Shipley in der Trinity Church waren viele Teilnehmer erschienen. Während sie dasaß und den vertrauten Gebeten lauschte, wurde Maggie bewußt, daß sämtliche Leute, die Nuala zu ihrem Abendessen eingeladen hatte, anwesend waren.
Dr. Lane und seine Frau Odile saßen mit einer Reihe der Bewohner des Latham Manor beisammen, einschließlich all derer, die am Mittwoch abend am Tisch von Mrs. Shipley gesessen hatten, allerdings mit Ausnahme von Mrs. Bainbridge.
Malcolm Norton und seine Frau Janice waren da. Er sah
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