Mondmädchen
eine Einmischung von Parthien würde ganz sicher zu einem Krieg mit Rom führen. Und dass Phraates gefährlich und unberechenbar war, sprach auch nicht gerade dafür. Er hatte seinen Vater und alle seine Brüder getötet, um selbst König zu werden. Wie sollte ich hoffen, ihn ohne eine eigene Armee daran hindern zu können, sich Ägypten einfach einzuverleiben, genau wie Rom es getan hatte?
Und so kreisten meine Gedanken immer wieder um das Gleiche. Während die Monate vergingen, senkte sich der Zweifel schwer auf mein Gemüt. Ich fürchtete, dass meine Verbindung mit Marcellus nie zustandekommen würde, vor allem weil ich nichts von ihm gehört hatte. Was hatte es zu bedeuten, dass er mir nicht schrieb? Hatte er jemand Neues gefunden? Hatte er schon genug von mir?
Schlimmer noch: Ich bemerkte, dass Alexandros von Zeit zu Zeit Briefe von Juba erhielt, der ebenfalls nie an mich schrieb. Ich empfand seine Zurückweisung wie einen Schlag ins Gesicht, auch wenn ich sie verstehen konnte. Während ich bei meinem nachmittäglichen Spaziergang durch den Garten darüber nachgrübelte, was das Schweigen der beiden zu bedeuten hatte, blieb ich plötzlich stehen, als ich Livias Dienerin auf mich zueilen sah.
» Domina wünscht deine Anwesenheit in ihrem Tablinum «, rief sie. »Jetzt gleich.«
Mir wurde flau im Magen. Ich hatte es mit der Zeit zu wahrer Meisterschaft gebracht, Livia aus dem Weg zu gehen. Wenn sie mich direkt zu sich rief, konnte das nichts Gutes bedeuten. Ich schluckte meine Angst hinunter und folgte der Dienerin zum Haus der Frau meines Feindes.
»Ah, Selene. Komm, setz dich«, sagte Livia, nachdem ihre Dienerin mich angekündigt hatte. Sie lehnte sich in ihrem thronähnlichen Stuhl zurück, der mit Einlegearbeiten aus Perlmutt verziert war. Ein Stuhl, der, wie ich wusste, ursprünglich aus unserem Palast in Alexandria stammte.
Ich nahm steif auf der niedrigen Bank gegenüber ihrem Schreibtisch Platz und fragte mich, was sie wohl von mir wollte. Livia starrte mich an, als wollte sie meine Gedanken lesen. Sie trug ein rosenfarbenes Gewand, Perlenohrringe und einen goldenen Halsreif, den ihr Ehemann ihr von seinem letzten Aufenthalt in Gallien mitgebracht hatte. Insgesamt ziemlich schlicht für die reichste Frau der Welt.
»Ist da etwas zwischen Alexandros und Julia?«, fragte Livia.
Ich blinzelte. Einer der Haussklaven musste geplaudert haben. Ich riss die Augen voller Unschuld auf und schüttelte den Kopf.
Livia zog eine Augenbraue hoch. »Weißt du, es wäre nämlich typisch für meine Stieftochter, sich genau die Person herauszupicken, mit der sie ihren Vater am meisten ärgern kann. Caesar beklagt sich oft, dass er zwei verzogene Töchter hat – Rom und Julia. Aber ich bin anderer Meinung. Nur Julia ist verzogen. Rom hat er weit besser im Griff.«
Sie schien auf eine Reaktion von mir zu warten. Ich hob das Kinn und hielt ihrem Blick stand, auch wenn mir das Herz bis zum Hals schlug. Hatte sie Octavian bereits davon erzählt? Was würde er mit Alexandros machen?
Livia lächelte und blickte kurz zur Seite. »Ich habe dich aber nicht hierherrufen lassen, um mit dir über deinen Bruder zu reden, obwohl ich dich dringend bitte, ihm nahezulegen, dass er diskreter sein sollte«, sagte sie. »Ich habe dich hergerufen, weil ich dir etwas zeigen möchte.« Sie zog einen kleinen Korb mit Briefen hervor, einige davon zusammengerollt, andere gefaltet. »Die hier sind für dich gekommen.«
»Und warum hast du sie dann?«, fragte ich. Angst und Wut vermischten sich in mir wie der Rauch von zwei Fackeln.
»Ich habe deine Briefe, weil sie dein Leben in Gefahr bringen.«
»Was?«
»Dies hier sind Briefe von Marcellus für dich«, sagte sie. »Liebesbriefe, denke ich.« Dann verzog sie das Gesicht. »Vielleicht wäre es passender, sie als Lust briefe zu bezeichnen.«
Die Wut kochte in mir hoch. »Du hast Briefe gelesen, die allein für mich bestimmt waren?«
Sie zog die Nase kraus. »Sagen wir mal, ich hoffe, dass Marcellus ein besserer Politiker als Dichter ist.«
Wie konnte sie es wagen? Ich streckte die Hand aus. »Gib sie mir!«
»Noch nicht.« Sie lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen zusammen, während sie mich betrachtete. Ich unterdrückte ein Schaudern bei der Erinnerung daran, dass Octavian seine Hände auf dieselbe Weise zusammengelegt hatte, bevor er mir verkündet hatte, dass er mich mit einem Frauenmörder verheiraten wollte.
»Was führst du im Schilde, Selene?«, fragte sie
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