Mondmädchen
Priesterin der Isis sprechen können, doch nach dem Fiasko mit Gallus war ich ihr aus dem Weg gegangen, um sie zu schützen.
Aber wenn ich mit ihr hätte sprechen können, dann hätte ich die Antwort auf eine Frage verlangt, die mich Tag und Nacht verfolgte: Warum gaben die Götter Juba sein Königreich zurück, aber mir nicht Ägypten?
Die Monate vergingen, und es gelang mir nicht zu verhindern, dass Livia weiterhin alle Briefe aus Iberien anbfing. Die meisten wurden ihr von Soldaten übergeben – denen ich mich nicht zu nähern wagte –, aber manchmal kamen auch Botenjungen auf das Anwesen, die Stapel von Briefen bei sich trugen. Die versuchte ich zu bestechen, aber sie rannten mit vor Angst geweiteten Augen vor mir davon. Was für eine Strafe hatte Livia ihnen angedroht?
Schlimmer noch, nach einer Weile kamen überhaupt keine Briefe mehr an. Bedeutete das, dass die Kämpfe in Iberien nicht gut verliefen? Obwohl es nicht selten vorkam, dass Briefe auf ihrem Weg durch das Reich verloren gingen, beschädigt oder gestohlen wurden, stellte das völlige Fehlen von Nachrichten meine Nerven auf eine harte Probe.
Die einzig gute Nachricht, die mich erreichte, war, dass Corbulo der Ältere gestorben war. Es hieß, sein Boot sei gesunken, während er zwischen seinen beiden Villen in Stabiae und Herculaneum hin und her fuhr. Sein Leichnam wurde in der Nähe von Pompeji an Land gespült. Als ich die Nachricht hörte, holte ich vor Erleichterung tief Luft und stellte dabei fest, dass ich zum ersten Mal seit Octavians Drohung wieder richtig durchatmen konnte.
Sechs Monate, nachdem Livia verkündet hatte, dass sie alle Briefe für mich abfing, kehrte Marcellus nach Hause zurück. Wir begrüßten ihn als Familie am Morgen seiner Rückkehr, aber bis zum Abend hatte ich ihn noch immer nicht alleine gesehen, was mich beunruhigte. Hatte er seine Meinung über mich geändert? War etwas schiefgelaufen?
Ich wälzte mich auf meinem Lager und seufzte. Tanafriti, die zusammengerollt zu meinen Füßen lag, und Sebi, der neben mir schnurrte, hoben die Köpfe. Sie spitzten die Ohren und ihre Schwänze zuckten, ihre Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Was ist?«, murmelte ich.
»Kleopatra Selene, bist du wach?« Eine männliche Stimme. Mein Herz klopfte. »Ich bin’s, Marcellus.«
Ich atmete auf und lief zu dem Vorhang vor meiner Kammer. »Marcellus, was tust du hier?«
Er blickte sich auf dem dunklen Gang um, bevor er in mein Cubiculum schlüpfte und den Vorhang hinter sich zuzog. »Ich konnte nicht früher weg«, flüsterte er. »Aber ich musste dich einfach sehen.« Er drückte mich fest an sich. »Bei den Göttern, es war eine Qual, nicht bei dir zu sein und doch zu wissen, dass du so nah bist«, flüsterte er.
Er küsste mich zuerst sanft, nur ein Hauch auf meinen Lippen, dann drängender. Ich war überrascht, dass ich nichts dabei empfand. Ich reagierte nicht mehr auf seine Berührungen wie damals, als seine Aufmerksamkeit noch neu für mich gewesen war.
Wir küssten uns weiter und er führte mich zu meiner Liege zurück. Ich zögerte. Er zog ein wenig an meinem Arm und ich setzte mich neben ihn.
Aber Sebi gefiel dieser Eindringling nicht. Er fauchte Marcellus an.
Marcellus zuckte zusammen. »Hast du eine Schlange in deinem Bett?«
»Das ist nur die Katze«, sagte ich. »Schschsch«, flüsterte ich Sebi zu. »Alles in Ordnung.«
»Das hat sich angehört wie eine Schlange«, grollte Marcellus. Wie viele Römer beunruhigten ihn Katzen und ihr geheimnisvolles Wesen zutiefst. »Warum hast du mir nicht zurückgeschrieben? Ich habe schon befürchtet, dass ich dir nichts mehr bedeute oder dass du einen anderen hast.«
»Ich habe deine Briefe nie bekommen«, flüsterte ich.
»Wie meinst du das? Hat jemand sie abgefangen? Welcher Narr würde es wagen, meine Briefe zu öffnen?«
»Pssst. Sprich leise. Es war übrigens ein ›Narr‹ namens Livia.«
Er starrte mich ungläubig an. »Sie weiß Bescheid?«
Ich nickte.
»Hat sie Caesar davon erzählt?«
»Nein. Sie sagt, sie will, dass er es selbst entdeckt, damit er erkennt, was für eine schlechte Wahl er getroffen hat, indem er dich zum Erben benannt hat.«
»Diese Hexe!«, stieß er hervor. »Ich nehme an, sie will Caesar davon überzeugen, dass ihr kleiner dunkelhaariger Dämon Caesars Nachfolger sein sollte. Mich schaudert bei dem Gedanken, dass Tiberius das Ruder in der Hand halten könnte!«
»Hast du mit Octavian über uns gesprochen?«
»Nicht wirklich«, sagte
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