Mondmädchen
eine andere Stimme vor meinem Cubiculum.
Und ich stöhnte auf, als mir klar wurde: Ja, es konnte tatsächlich noch schlimmer kommen. Die Stimme gehörte Julia.
~ Kapitel 45 ~
Julia streckte den Kopf durch den Vorhang zu meinem Cubiculum . Beim Anblick von Marcellus machte sie große Augen. Sie sah mich an und schlug dann grinsend die Hand vor den Mund. »Bei den Göttern! Ich fasse es nicht!«
»Mach den Vorhang zu«, befahl Marcellus. »Es muss ja nicht gleich das ganze Haus mitbekommen.«
»Und warum dann der Aufruhr?«, fragte sie und trat wie befohlen herein.
»Ihre Katze hat mich angegriffen!« Er wandte sich zu mir. »Bist du sicher, dass ich deswegen nicht zu einem Medicus gehen sollte?«
»Da bin ich sicher«, antwortete ich und fragte mich, ob er auf dem Schlachtfeld auch so zimperlich war. Ich nahm ihm die Tunika aus den Händen. »Kannst du die bitte anziehen?«
Jetzt erst bemerkte er, dass meine Amme und Julia ihn anstarrten, und errötete lächelnd. Er zog die Tunika über den Kopf.
Verlegen sahen wir vier uns an.
»Alles in Ordnung«, sagte ich zu Zosima. »Geh jetzt wieder in deine Kammer.«
Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und ich wusste, dass ich mir später eine lange Strafpredigt anhören musste.
»Bitte«, flüsterte ich.
Mit einer übertriebenen Verbeugung stellte sie das kleine Tonlämpchen auf der Truhe neben meiner Liege ab. Dann verließ sie den Raum. Ich konnte hören, wie sie ärgerlich vor sich hin grummelnd den Gang hinunterging.
Julia stand mit verschränkten Armen da, das Gewicht auf eine Hüfte verlagert und hatte ein hämisches Grinsen im Gesicht.
»Ich schätze, wir haben alle unsere Geheimnisse, nicht wahr?«, sagte ich zu ihr.
»Was ist dein Geheimnis?«, fragte Marcellus sie.
Sie warf mir einen warnenden Blick zu.
»Ich kann deins bewahren, wenn du meins bewahrst«, sagte ich zu ihr.
»Kleopatra Selene, bald werden wir nicht mehr heimlich herumschleichen müssen. Du wirst schon sehen«, sagte Marcellus.
Julia blieb der Mund offen stehen. »Marcellus, hast du in Hispania einen Schlag auf den Kopf gekriegt? Das wird deine Mutter niemals akzeptieren!«
»Mutter hat dabei gar nichts zu sagen.«
»Aber Tata schon, und der hasst sie sogar noch mehr, als Octavia es tut!« Sie wandte sich an mich. »Tut mir leid.«
Octavia hasste mich? Ja, sie war zu meinen Brüdern immer herzlicher gewesen, aber Hass ging doch zu weit.
Marcellus drehte wieder den Kopf, um seine Schulter zu betrachten. Er runzelte die Stirn, während er die Bisswunde unter seiner Tunika inspizierte. »Ich glaube, ich werde es doch mal dem Medicus zeigen«, murmelte er. Er küsste mich abwesend auf den Mund, schob den Vorhang beiseite und ging.
Mir kam das alles so unwirklich vor, dass ich fast gelacht hätte. War das alles tatsächlich geschehen? Hatte ich wirklich einen nackten Marcellus in meiner Kammer gehabt, den meine Katze beim Liebesspiel unterbrochen hatte? Ich schüttelte den Kopf. Und nun stand ich hier ausgerechnet mit Julia mitten in der Nacht in meinem Cubiculum !
»Weiß dein Bruder über euch zwei Bescheid?«, fragte Julia.
Ich zuckte mit den Schultern und dachte an seine Missbilligung meines Vorhabens, mich mit Marcellus zu verbünden.
»Weißt du, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich der Meinung, dass das hier gut für uns alle sein könnte«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«
»Es ist doch alles ganz sauber und ordentlich, findest du nicht auch? Vielleicht werden sie erkennen, dass dies ein Werk der Götter ist und dass es uns bestimmt war, so zueinanderzufinden.«
Jetzt war ich an der Reihe, ungläubig zu schauen. »Julia, dein Vater wird niemals …«
»Halt! Sag das nicht!«, sagte sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Mit der Zeit wird er es schon akzeptieren. Er muss uns einfach unser Glück lassen. Er hat mir noch nie etwas verweigert. Wenn er sieht, wie sehr ich Alexandros liebe, wird er nachgeben. Da bin ich mir sicher!«
Kurz nach Sonnenaufgang, als Zosima gerade mit ihrer Strafpredigt begonnen hatte, kam Livias Dienerin zu mir. » Domina wünscht, dich in ihrem Tablinum zu sehen. Sofort«, sagte sie.
»Ich komme, sobald wir hier fertig sind …«
»Sofort!«, unterbrach sie mich.
Unterwegs zu Livias Haus traf ich auf Alexandros. »Hat sie dich auch zu sich gerufen?«
Er nickte. »Wie ich höre, hattest du gestern eine interessante Nacht.«
»Bei den Göttern, so viel zu Julias Verschwiegenheit!«
Er grinste. »Sie findet es
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