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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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hatte!
    Mutters Besuch am Vorabend hatte mich trotz allem mit neuer Hoffnung erfüllt. Sie ging wieder Risiken ein! Schließlich hatte sie – seit Octavians Verbot galt – noch nie versucht, uns zu sehen. Und an jenem Morgen war Dolabella zurückgekehrt, um uns zu sagen, Mutter hätte die Anweisung erteilt, wir sollten den Tag mit der Priesterin Amunet im Tempel der Isis Pharia verbringen. Endlich widersetzte sie sich unserem Peiniger.
    Sobald wir auf der Insel waren, fiel es nicht schwer, Dolabella davon zu überzeugen, dass Mutter nichts dagegen hätte, wenn wir auf den Leuchtturm stiegen. Das hatten wir schon so lange nicht mehr getan! Ich lief zur Brüstung, blickte auf die glitzernde Bucht hinaus und sog den betörenden Duft von Salzwasser und Meer in mich auf. Vögel kreischten und flogen um unsere Köpfe. Ptoli lachte und jagte ihnen hinterher.
    »Die Vögel sind hungrig«, sagte ein Essensverkäufer von einem der Stände hinter uns. »Hier auf Pharos gibt es seit der Ankunft der Römer nur noch wenige Besucher. Und deswegen bleiben auch keine Reste mehr für die Vögel.«
    Ich sah mich um und bemerkte die meist leeren Verkaufsstände. Normalerweise wimmelte es auf der ersten Ebene des Leuchtturms nur so von Besuchern, aber selbst die Händler, die billige Terracotta-Leuchttürme und Glücksbringer verkauften, waren verschwunden.
    »Bei uns haben die Leute immer Schlange gestanden für unsere Leckereien. Heute könnt ihr sie gleich genießen, ja? Vielleicht unsere berühmten Emmer-Mandelkuchen?«
    Ptolis strahlte. »Ich mag Mandelkuchen!«
    »Ein Obolos pro Stück«, sagte der Mann.
    Ptoli machte ein verwirrtes Gesicht. Ich konnte beinahe seine Gedanken lesen: Geld?
    »Weißt du eigentlich, wer wir sind?«, fragte Alexandros.
    »Es ist mir egal. Und wenn ihr die Kinder der Königin von Ägypten seid, ihr müsst trotzdem bezahlen!«, sagte der Mann. Er trug die schlichte, grob gewebte Tunika der Arbeiter aus dem Rhakotis-Viertel von Alexandria.
    Ptoli kicherte. »Aber das sind wir! Wir sind die Kinder der Königin von Ägypten! Ich bin Ptolemaios Philadelphos, das hier ist Alexandros Helios und«, sagte er, wobei er auf mich deutete, »das da ist Kleopatra Selene!«
    Der Mann lachte. »Pah! Du bist ein Witzbold, aber süß. Ich sag dir was. Ich gebe euch die süßen Mandelkuchen zum halben Preis. Das ist doch ein guter Vorschlag, oder?«
    Dolabella murmelte etwas vor sich hin und knallte eine Handvoll Münzen auf den wackligen, hölzernen Verkaufstresen. »Gib ihnen, was sie wollen. Und zwar sofort.«
    Der Verkäufer runzelte die Stirn.
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte ich auf Ägyptisch. »Er ist ein römischer Soldat und wie alle Römer sehr unfreundlich. Vielleicht kannst du ihm das süßeste Stückchen geben? Ach so, und wir sind übrigens wirklich die Kinder der Königin.«
    Der Mann lächelte. »Aber natürlich, Majestät «, sagte er auf Griechisch mit einem Zwinkern in den Augen. Sein spielerischer Gesichtsausdruck erinnerte mich so sehr an Tata, dass sich eine große Leere in mir ausbreitete, weil ich ihn so vermisste. Aber wie es sich für eine Prinzessin gebührte, verbarg ich meine Empfindungen vor einem Untertan. Stattdessen neigte ich ebenfalls spielerisch mein Haupt.
    »Gib den Kindern ihr Essen«, knurrte Dolabella. Er wandte sich zu mir. »Das hat jetzt schon länger gedauert, als ich gedacht hätte. Wir müssen nun zum Tempel der Isis gehen. Die Priesterin wartet dort auf uns.«
    »Aber wir sind doch noch gar nicht bis ganz nach oben auf den Leuchtturm gestiegen«, sagte Alexandros.
    Dolabella packte die Süßigkeiten, die in gedämpfte Weinblätter gehüllt waren und drückte sie uns in die Hände. »Ich habe der Königin versprochen, dass ich dafür sorgen würde, dass ihr bis zur Hora Octava bei der Oberpriesterin seid. Das ist jetzt bald.«
    »Nein!«, sagte Ptoli, dessen Oberlippe mit Mandelcreme verschmiert war. »Wir wollen aber noch ganz nach oben gehen! Wir gehen immer ganz bis nach oben!«
    »Vielleicht hinterher … dann können wir noch ganz hinaufsteigen, wenn ihr dann noch immer wollt.«
    Wir rührten uns nicht von der Stelle.
    »Ihr kommt jetzt und tut, was ich euch befehle!«, rief Dolabella und klang dabei, wie Vater geklungen hatte, wenn er seinen Männern auf den Übungsplätzen Anweisungen erteilte. Aber wir waren keine Soldaten. Wir starrten ihn an, die Münder voll mit süßem Kuchen.
    In diesem Augenblick klangen seltsame Rufe von der Mitte der Insel zu uns

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