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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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legte das Szepter in Form eines gestreiften Hirtenstabes in die eine Hand meines Bruders, in die andere den Wedel. Amunet reichte auch mir Krummstab und Wedel. Um den Hals band sie mir einen reich mit Edelsteinen besetzten Brustschmuck, der mich der Isis gleichen ließ.
    Ein junger Priester reichte Ma’ani-Djehuti und Amunet die beiden Kronen, die sie in die Höhe streckten. Ich hielt meinen Kopf ganz still, hob aber den Blick, um den blauen Helm mit dem aufgebogenen Rand zu betrachten, den Amunet vor mir hochhielt. Er war mit goldenen Scheiben verziert und trug vorne die heilige Schlange und den Geier.
    Ich blinzelte. Ich hatte nie gesehen, dass Mutter eine solche Krone trug. Sie hatte normalerweise entweder das goldene Diadem mit den drei sich aufbäumenden Kobras oder die rot-weiße Krone als Herrscherin der Zwei Länder getragen. Dies hier war die blaue Krone des Krieges. Beim Gedanken daran, was das bedeutete, zog sich mir der Magen zusammen. Die Pharaonen hatten diese besondere Krone, die Chepresch, in Zeiten des Angriffs getragen. Sollte das etwa heißen, dass wir tatsächlich irgendwann gegen das mächtige Rom kämpfen mussten?
    Die rituellen Gebete fluteten über uns hinweg. Trotz meiner Besorgnis wurden meine Sinne überwältigt vom durchdringenden Geruch von Räucherwerk und Blut und dem schnellen Ägyptisch, das über unseren Köpfen gesprochen wurde. Mein Atem beschleunigte sich, während ich mir vorstellte, dass die Krone jeden Augenblick meine Stirn berühren würde. Wie würde sie sich anfühlen diese von den Göttern übertragene Kraft, die aus Mutters Augen geleuchtet hatte?
    Amunet und Ma’ani-Djehuti ernannten uns zu König und Königin, Bruder-Schwester, Mann-Frau, so wie es die ersten großen Götter und Herrscher von Ägypten gewesen waren – Isis und Osiris. Ich schloss die Augen, während die Krone sich auf mein Haupt senkte. Sie fühlte sich schwer und steif an, so als hätte jemand ein Buch aus Marmor auf meinen Kopf gelegt. Ich dachte an die letzten geflüsterten Worte, die meine Mutter an mich gerichtet hatte: »Du hast das Herz einer großen und mächtigen Königin.« Ich flüsterte lautlos »Genestho«, genau wie sie es gemurmelt hatte – »so sei es«.
    Amunet und Ma’ani-Djehuti verbeugten sich zu unseren Füßen, während die anderen das große Willkommensgebet anstimmten. Gedämpfte Rufe und Befehle sowohl auf Lateinisch als auch auf Griechisch, die von außerhalb der Grabkammer hereindrangen, ließen mich auffahren. Ich hörte das Wort »Caesar« und zu meinem Entsetzen wurde mir klar, dass er draußen war und Einlass verlange. Diese Zeremonie würde ihn aufs Höchste erzürnen. Aber woher wusste er davon, wenn es noch nicht einmal uns bekannt gewesen war?
    Das Handgemenge und laute Flüche außerhalb der Grabkammer übertönten die Schönheit der altehrwürdigen Worte hier drinnen. In dem ganzen Aufruhr hob Amunet den Kopf und starrte mich derart durchdringend an, dass ich fast aus meinem provisorischen Thronsessel gesprungen wäre. Sie beugte sich näher zu mir und sprach mit leiser, doch eindringlicher Stimme über die Gesänge drinnen und den Streit draußen hinweg. »Unsere Getreuen in Rom sind bereits dabei, Pläne zu schmieden, damit du deine Bestimmung erfüllen kannst«, sagte sie. Mein Herz schlug schneller vor Aufregung. Waren dies dieselben Getreuen, von denen auch Mutter mir erzählt hatte? »Wenn die Zeit gekommen ist, wird jemand mit Anweisungen bei dir erscheinen«, fuhr sie fort. »Verstehst du? Du musst Geduld haben. Und auf Isis vertrauen.«
    Bevor ich ihr antworten und fragen konnte: Wer wird Kontakt zu uns aufnehmen? Was sollen wir in der Zwischenzeit tun? , brach die Tür mit einen lauten Knall auf. Die Gesänge verstummten, während wir alle aufblickten. Die plötzliche Stille war ebenso irritierend wie das grelle Sonnenlicht, das uns in der abgedunkelten Kammer blendete.
    Eine Gestalt trat vor, so dunkel und unkenntlich wie Anubis in einer Grabkammer. Während sie näher kam, überlegte ich einen wilden Augenblick lang, ob es vielleicht wirklich der Herrscher der Toten war, der uns holen wollte. Aber es war nur der todbringende Römer – Octavian.
    Beim Anblick seines Gesichts, das von purem Hass und Wut verzerrt war, fing ich an zu zittern.
    »Ihr«, blaffte er und deutete auf uns, »seid des Verrates gegen Rom schuldig.«
~  Kapitel 15  ~
    Die Beweislage war eindeutig. Alexandros und ich saßen auf Thronsesseln, zu Ägyptens neuen Herrschern

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