Mondmädchen
Gedämpfte Schreie und Jubelrufe der Menge über uns hallten hinab beim Zeichen einer weiteren erfolgreichen Hinrichtung. Ich konnte nicht sagen, wie tief wir unter der Erde waren, aber es schien, als wäre der wiederholte Aufprall des Kopfes des Toten auf den Stufen, während er hinausgeschleift wurde, unendlich lange zu hören. Doch bald schon wurde mir klar, dass jetzt nur noch wir, der Henker und der römische Soldat anwesend waren.
Bei den Göttern, waren wir etwa als Nächste dran? Unser Entführer schob uns nach vorne. Ptoli heulte los. »Was sollen die hier?«, rief der Henker aus. »Ich habe keinen Befehl erhalten, dass wir Kinder hinrichten sollen!«
»Aber ich schon«, kam die barsche Antwort des Soldaten, der uns nach vorne stieß.
»Das muss ein Irrtum sein«, sagte ich. »Man hat uns gesagt, dass wir nach dem Triumphzug zu Octavi… Caesars Haus auf dem Palatin zurückgebracht werden.«
Der Soldat beachtete mich gar nicht. »Mach schon!«, brüllte er. »Es muss schnell gehen!«
»Nein!«, jammerte Ptoli.
»Wartet!«, rief Alexandros. »Wir sind römische Bürger! Ihr dürft einen römischen Bürger nicht ohne Gerichtsverhandlung hinrichten.«
Ich erinnerte mich daran, wie unser sterbender Vater uns erklärt hatte, dass wir diese Worte benutzen sollten. Eine Welle der Erleichterung erfüllte mich, dass mein Zwillingsbruder so geistesgegenwärtig war.
»Egal«, sagte der Mann und schob uns noch weiter nach vorne. »Ich habe Befehle.«
»Von wem?«
»Ein Befehl aus Caesars Haus, von seiner Frau. Du weißt schon, dieser Vornehmen.«
Livia? War das Livias Werk? Der Henker machte ein skeptisches Gesicht. »Du tust das jetzt! Und zwar sofort«, brüllte der Soldat und gab mir einen Schubs. »Ich habe meine Befehle. Fang jetzt an!«
Der Henker schüttelte den Kopf. »Ich erwürge keine Kinder!«
»Du willst also Caesar den Gehorsam verweigern?«, knurrte unser Entführer.
Der Mann erbleichte. Bei Isis, er gab doch jetzt nicht nach! Ich blickte mich verzweifelt um. Wo waren wir hereingekommen? Konnten wir versuchen wegzulaufen, jetzt, wo unsere Ketten gelöst waren?
Der Henker verschränkte die Arme und deutete mit dem Kinn auf mich. »Ganz egal, das Mädchen da werde ich auf keinen Fall töten. Es verstößt gegen römisches Gesetz, eine Jungfrau zu töten«, sagte er.
» Cacat , Mann!«, brüllte der Soldat. » Das Problem kann ich schnell genug aus der Welt schaffen.«
»Nein!«, schrie ich. Der Soldat packte mich am Oberarm, aber ich riss mich los. »Lauft, los!«, rief ich Ptoli und Alexandros zu, aber sie standen wie erstarrt da, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Der Soldat fluchte und griff wieder nach mir, wobei er meine Perücke erwischte und sie mir vom Kopf riss. Er knurrte vor Überraschung und Abscheu, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Ich stolperte zu der Treppe hinter uns.
»Lauft!«, rief ich meinen Brüdern noch einmal zu. Wir rannten los. Der Soldat erwischte mich am Knöchel und ich fiel auf den harten Steinboden, wobei mein Oberarm und meine Schulter die Wucht des Aufpralls abfingen. Ich schrie vor Schmerz auf. Ptoli rannte zurück, um den Soldaten anzugreifen. »Nein, Ptoli, lauf!«, rief ich. Ptoli trat wie wild gegen den Kopf des Mannes, aber Alexandros lief ebenfalls zu dem am Boden liegenden Mann hinüber und stieß ihm mit dem Fuß fest in die Augenhöhle. Der Mann heulte auf und ließ mich los, um sein Auge mit beiden Händen zu bedecken.
»Los!«, befahl Alexandros und zog mich am Arm hoch. Ein Schmerz schoss durch meine Schulter und raubte mir den Atem. Ich humpelte hinter meinen Brüdern her.
»Haltet sie!«, rief der Soldat.
»Lasst sie laufen«, sagte der Henker. »Ich töte keine Kinder.«
»Du Idiot!«, zischte der Soldat. Zu meinem Entsetzten hörte ich seine genagelten Stiefel hinter uns die Treppe hinauftrampeln.
»Lass sie doch einfach!«, rief ihm der Henker hinterher. »Die Leute dort oben werden sie ohnehin in Stücke reißen.«
Wir rannten ins Freie hinaus und blieben geblendet von dem grellen Licht stehen. Die glühende Hitze machte das Atmen fast unmöglich. Mein Herz raste, während ich weiterrannte und mir dabei die rechte Schulter hielt. »Nehmt euren Kopfschmuck ab«, rief ich. Meine Brüder rissen sich den Schmuck vom Kopf, ihre Locken klebten schweißnass an ihren Köpfen, während der goldgestreifte Stoff hinter uns her wehte.
»Mischt euch unter die Menge!«, wies Alexandros uns an. Wir hielten uns an den Händen
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