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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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wie ein blutverschmiertes Wiesel.
    Ich wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren. Als wir an den Tribünen vorüberkamen, drückte ich den Rücken durch, da ich wusste, dass Julia und die anderen uns zusahen. Ich schaute zu der Loge empor, in der Livia und Octavia saßen, und bemerkte Tonia, die an der Schulter ihrer Mutter weinte. Der Anblick ihrer Tränen wegen ihres geliebten Ptoli erfüllte mich mit grausamer Befriedigung. Und gleichzeitig flößte es mir Hoffnung ein. Es gab noch eine, die meinen kleinen Bruder so lieb hatte, dass sie angesichts seiner Misshandlung weinen musste.
    Auf dem letzten Stück des Umzugs drängte die Menschenmenge immer näher heran. Der Weg sollte noch hinauf zum Kapitol führen und schließlich beim Tempel des Jupiter Maximus enden. Alexandros setzte Ptoli ab. Jetzt hatten wir es fast überstanden.
    Dann – Dunkelheit. Ich holte erschrocken Luft. Man hatte eine Decke über uns geworfen. »Keine Gegenwehr, verstanden?«, knurrte jemand in kehligem Latein, während sich eine Schwertspitze in meinen Rücken bohrte.
~  Kapitel 22  ~
    »Ptoli! Alexandros!«, rief ich, aber meine Stimme wurde von der Decke und dem Lärm um uns herum erstickt. Die Leute grölten und klatschten, als uns jemand aus dem Triumphzug zerrte.
    »Kle-Kle!«, rief Ptoli. Blind griff ich nach ihm und er packte meine Hand. In der ersten Panik hatte ich die Ketten vergessen, durch die wir miteinander verbunden waren. Ich atmete vor Erleichterung auf. Wir würden nicht – konnten gar nicht – getrennt werden.
    »Was ist hier los?«, rief Alexandros.
    Die Geräusche von schweren Nagelstiefeln und klirrenden Panzern aus Metall bedeuteten, dass Soldaten uns ergriffen hatten. Brachten sie uns zu Octavians Anwesen zurück? Aber warum unter einer Decke? Dann wurde mir klar, dass es vermutlich zu unserem eigenen Schutz geschah, falls die Menge sich vor lauter Wut und Hass auf uns stürzen würde.
    Die grob gewebte Decke roch nach Schweiß und altem Heu. Leute fluchten, wenn wir gegen sie stießen. Die Soldaten, die uns vor sich herschubsten, blafften Befehle. Ein Wortwechsel. Wir wurden in ein Gebäude gebracht und raue Stufen hinuntergezerrt. Der Geruch von nassem Stein. Mich schauderte, als sich der Schweiß auf meinem Körper abkühlte. Das Grölen der Menge über uns klang wie Felsbrocken, die einen Abhang hinunterrollten.
    Die Decke verschwand und ich blinzelte in die Dunkelheit, während jemand meinen Kopf nach vorne drückte, um die Fessel um meinen Hals zu lösen.
    »Wo sind wir?«, fragte Ptoli. »Ich habe Durst. Kann ich etwas Wasser haben?«
    Unser Befreier, ein schweißüberströmter Centurio, gab keine Antwort. »Wir bekommen sicher bald Wasser«, versprach ich Ptoli. Meine eigenen Lippen waren spröde wie zu lange gebrannter Ton.
    Nachdem er unsere Ketten gelöst hatte, führte der Soldat uns einen Gang entlang in einen weiteren finsteren Raum. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte ich einen Mann, der dreckverschmiert auf dem Boden kniete. Er war nackt, blutete und zitterte. Er hob den Blick und seine Augen waren weit aufgerissen vor Angst. Mit einer einzigen raschen Bewegung legte jemand eine Garotte um den Hals des Mannes und fing an, ihn zu würgen.
    Mein Herz klopfte. Waren wir im Tullianum ? Dem unterirdischen Gewölbe, in dem die Feinde Roms getötet wurden? Ptoli verbarg sein Gesicht und atmete schwer vor Furcht. Aber … aber wir sollten doch zum Palatin zurückgebracht werden! Ein Teil von mir trat aus meinem Körper hinaus. Das hier geschieht nicht wirklich. Ich muss nicht mitansehen, wie ein Mann vor meinen Augen zu Tode gewürgt wird.
    Die Augen des Mannes traten hervor, die Sehnen an seinem Hals wurden bis aufs Äußerste gedehnt und sein Gesicht lief blau an, während er um sich schlug und nach Luft rang.
    »Schaut weg!«, zischte Alexandros. Ich zuckte zusammen und schloss die Augen. Aber die schrecklichen Geräusche blieben dennoch – das verzweifelte Keuchen und Röcheln des Mannes, das ungeduldige Schnaufen des Soldaten hinter uns. Ptolis Weinen. Der dumpfe Aufprall des Körpers auf dem Boden und schließlich der Geruch seiner Ausscheidungen, als sein Körper die Kontrolle verlor.
    »Bringt ihn hoch zum Forum und werft ihn dort die Treppe hinunter«, befahl der Henker den beiden Männern, die neben ihm standen, nachdem der Körper aufgehört hatte zu zucken. Jeder der Männer packte einen Knöchel und ging in Richtung der feuchten Steinstufen.

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