Mondmädchen
als wir nicht mehr in ihrer Nähe waren.
»Ich habe Hunger«, verkündete Ptoli und rieb sich den Bauch.
»Ich auch«, sagten Alexandros und ich gleichzeitig. Wir hatten vor Sonnenaufgang zum letzten Mal etwas gegessen.
Ich roch den Duft von gebratenen Würstchen und mir lief das Wasser im Mund zusammen. »Hier entlang.« Ich deutete in die Richtung, aus der der Geruch kam.
Alexandros schüttelte den Kopf. »Wir haben doch kein Geld. Wir können es nicht riskieren, Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Aber ich hab solchen Hunger!«, jammerte Ptoli und marschierte trotzdem in Richtung der Garküche los.
»Halt!«, befahl Alexandros.
»Fang mich doch!«, rief Ptoli und rannte voraus.
Wir folgten Ptoli, der einfach weiterrannte und nur manchmal einem torkelnden Betrunkenen ausweichen musste. Er blieb vor einem Händler stehen, der sich vor seinem Stand über eine Feuerstelle beugte und eine Pfanne voller brutzelnder, aufplatzender Würstchen schüttelte.
»Das riecht gut!«, sagte Ptoli zu dem Koch, dessen Gesicht vom Ruß der Kochstellen geschwärzt war.
Der Mann achtete nicht auf ihn.
»Kann ich welche haben?«
»Hast du Geld?«
Ptoli schüttelte den Kopf.
»Dann fort mit dir«, sagte der Mann.
Alexandros ergriff Ptolis Arm. »Komm, wir gehen.«
»Nein!«, rief Ptoli. »Ich habe Hunger!«
»Du siehst aber nicht sehr verhungert aus«, sagte der Mann.
Alexandros seufzte. Er zog einen Brustschmuck hervor, löste einen Lapislazuli-Stein in Form eines Skarabäus und hielt ihn dem Mann hin. »Wir haben kein Geld, aber wir könnten gegen diesen Edelstein hier tauschen.«
Der Mann blickte lange auf das glitzernde, leuchtende Blau in Alexandros’ Hand und dann in sein Gesicht. »Wo hast du das her?«, fragte er.
»Gefunden.«
Der Mann kniff die Augen zusammen.
»Jemand hat es beim Triumphzug einem ägyptischen Gefangenen vom Hals gerissen, und ich habe es mir geschnappt, bevor es ein anderer getan hat«, log Alexandros.
Der Mann schien jetzt ernsthaft darüber nachzudenken.
»Alle sind ganz wild auf ägyptischen Schmuck«, fügte ich hinzu. »Du kannst das bestimmt gut verkaufen und kriegst viel mehr dafür, als du für die da bezahlt hast«, sagte ich und zeigte auf die Würstchen.
»Gut«, sagte der Mann. »Für jeden eine.«
Ptoli klatschte in die Hände. Aber Alexandros tat empört. »Drei Würstchen? Vergiss es. Wir gehen woanders hin.«
»Fünf«, sagte der Mann und richtete sich auf.
»Sechs. Und Brot für uns alle drei aus dem Korb da.«
»Einverstanden«, sagte der Händler. »Gib jetzt her.«
Der Tauch wurde vollzogen. Wir gingen davon und verschlangen gierig die Würstchen, leckten uns das Fett von den Fingern und rissen mit den Zähnen große Brocken von dem altbackenen, groben Gerstenbrot ab.
»Ich bin beeindruckt«, sagte ich zu Alexandros. »Ich wusste gar nicht, dass du so gut feilschen kannst.«
»Manchmal folge ich Tiberius auf den Markt. Ich habe von ihm gelernt, weil er alle übers Ohr haut, denen er begegnet.«
»Das ist das beste Würstchen, das ich in meinem ganzen Leben gegessen habe!«, sagte Ptoli mit seinem schiefen Grinsen. Dagegen konnte ich nichts sagen, aber ich machte mir dennoch große Sorgen um ihn. Ptolis Augen schienen unnatürlich hell zu glänzen und seine Pupillen waren geweitet. Wir mussten einen sicheren Unterschlupf finde, doch wo? Schon bald würde es dunkel werden und ich wusste, dass ich dann auf keinen Fall auch nur in Nähe der Subura sein wollte.
Ein Anflug von Panik überfiel mich und ich fing an zu zittern. Als Königskinder hatten wir immer eine ganze Schar von Dienern gehabt, die sich um alle unsere Bedürfnisse gekümmert hatten. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich jetzt für mich oder meine Brüder tun konnte.
»Kleopatra Selene«, sagte Alexandros leise. »Wir haben dein Armband vergessen. Nimm es ab.«
Ich schaute auf die goldene Schlange, die sich meinen rechten Oberarm hinaufschlängelte. Das Licht verfing sich in ihren smaragdgrünen Augen, denselben Augen, die Mutter sterben gesehen hatten. Es war sicher klug, es zu verstecken. Aber als der Soldat mich gepackt hatte, war ich auf diesen Arm und diese Schulter gefallen. Die Haut unter dem Armreif war bereits dunkelrot und geschwollen. Ich atmete scharf aus und zog es ab.
»Das nehme ich«, ertönte eine Stimme hinter uns und wir zuckten zusammen. Die Drohung kam von einem dünnen, ungepflegten Mann in einer schmutzigen braunen Tunika.
»Nein, das wirst du nicht«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher