Mondmädchen
und schoben uns durch die schwitzenden Massen. Römer fluchten über uns und drängten uns beiseite, aber glücklicherweise beachtete uns keiner, da alle viel zu erpicht darauf waren, einen Blick auf den Schluss des Triumphzuges zu erhaschen, wo die Senatoren und Soldaten hinter Octavian hermarschierten.
Ein Soldat mit vor Wut verzerrtem Gesicht, der sich eine Hand über sein linkes Auge hielt, rannte an uns vorbei, um den Weg der Parade zurückzuverfolgen. Ich atmete erleichtert auf, als er um die Ecke eines Wohngebäudes herum verschwand. Ich zog meine Brüder an den Händen und wir bewegten uns aus der Menge heraus, die inzwischen hügelaufwärts in Richtung des Tempels schaute, wo die Stiere geopfert wurden.
Wir lehnten uns an die Mauer eines Backsteinhauses und rangen keuchend nach Luft. Ich nahm Ptoli in den Arm. »Du bist mein Held!«, sagte ich und drückte ihn an mich, um ihn auf den verschwitzten Kopf zu küssen. Er machte sich los, grinste verlegen und spielte seinen Tritt mit voller Kraft nach. »Danke«, flüsterte ich Alexandros lautlos zu, denn ich wusste genau, dass es sein Tritt gewesen war, der meinen Angreifer außer Gefecht gesetzt hatte.
»Blöder Kerl!«, rief Ptoli.
»Sei leise, Ptoli!«, zischte Alexandros. »Er ist vielleicht immer noch hinter uns her.«
Das hatte eine ernüchternde Wirkung.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Alexandros und sah sich um. »Wenn die Leute uns bemerken …«
»Wir müssen uns unauffällig unter sie mischen«, sagte ich. »Und wir müssen hier weg.«
Wir gingen noch etwas weiter von der Paraderoute weg und schlängelten uns durch gewundene Straßen und Gassen, die mit Abfällen übersät waren.
Ptoli bemerkte einen öffentlichen Brunnen. »Wasser!«, rief er und raste direkt darauf zu.
Alexandros fluchte leise, während wir ihm folgten. Ptoli warf sich beinahe ganz in das weite Becken des Brunnens, während er in tiefen Zügen trank und sich dabei noch nicht einmal die Mühe machte, das Wasser mit den Händen zu schöpfen, sondern das Gesicht fast unter Wasser tauchte wie ein Hund. Als er den tropfenden Kopf hob, musste ich lächeln.
»Du bist genial, Ptoli«, sagte ich, nachdem ich selbst große Schlucke des warmen, metallisch schmeckenden Wassers getrunken hatte.
Er machte ein verwirrtes Gesicht. Ich tunkte meine Hand in den Brunnen und wusch ihm die Reste des Kajals von seinem verschmierten Gesicht. Dann schrubbten auch Alexandros und ich unsere Gesichter sauber. Ich löste meine Haare, dankbar, dass die ungeliebte schwere Perücke mir diesmal das Leben gerettet hatte. Beide Jungen zerrten sich den mit Edelsteinen besetzten Brustschmuck vom Leib und Alexandros versteckte alles unter einem kleinen Haufen Müll auf der Straße.
»Wir müssen mehr wie Römer aussehen«, sagte er.
Ptoli deutete auf seinen Faltenrock. »Aber nackt laufe ich nicht rum, das sage ich dir!«
Alexandros lächelte. »Glaub mir, das will auch keiner von uns wirklich sehen. Wir müssen uns irgendwie Tuniken beschaffen«, sagte er mit einem Blick auf mein plissiertes Kleid. Es war dreckverschmiert und hatte hinten einen Riss, aber wenigstens sah es so verschwitzt und verdreckt nicht mehr so ägyptisch aus. Ich zog meine vergoldeten Sandalen aus. Die Ledersandalen der Jungen waren nicht so auffällig.
»Wartet!«, rief ich. »Nehmt euren Brustschmuck mit. Wir können die Edelsteine verkaufen.«
»Gute Idee«, sagte Alexandros. Er zog die Sachen unter dem Müll hervor und rollte sie so zusammen, dass man möglichst wenig von den glitzernden Edelsteinen sehen konnte. Wir wanderten weiter durch die Gassen voller Dreck und versuchten dabei, den ausgemergelten, dürren Hunden aus dem Weg zu gehen, die uns anstarrten, während wir an ihnen vorübergingen. Wegen der glühenden Hitze und den Feierlichkeiten am Forum Romanum begegneten wir kaum anderen Leuten.
»Ich glaube, wir gehen in Richtung der Subura«, sagte ich ein wenig besorgt. Tata hatte uns von dieser Gegend erzählt – ein belebtes, gefährliches, und verdrecktes Stadtviertel, mit zu vielen Einwohnern, das große Ähnlichkeit mit dem Rhakotis-Viertel bei uns in Alexandria hatte. Ich blickte nach oben, als wir uns im Schatten eines bröckelnden Gebäudes befanden. Römische Insulae , Wohngebäude die für ihre große Höhe und ihre schlechte Bauweise bekannt waren, stürzten häufig in sich zusammen. Fast wöchentlich hörte man, wie es schien, von einer neuen Insulae -Tragödie in der Subura. Ich atmete befreit auf,
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