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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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brannte auf uns hinunter, sodass ich unter der Last ihrer erbarmungslos blendenden Hitze keuchte. Der Gestank von menschlichem Schweiß und billigem Wein, das wilde Durcheinander von Rufen, Flüchen, und Gebrüll, die Rauchwolken von Opferfeuern, die sich wie schwarze Gewitterwolken über der Stadt zusammenbrauten … Während wir die eisernen Ketten hinter uns herschleppten, erschien mir das Ganze wie ein Albtraum, in dem meine Beine immer schwerer und schwerer wurden und mich in dem lähmenden Zustand hoffnungsloser Verzweiflung festhielten.
    Aber wir hatten keine andere Wahl. Wir mussten weitergehen. Und ich würde diesen Leuten nicht die Genugtuung verschaffen, mich stolpern zu sehen. Im Verlauf des langen, heißen Marsches war es Ptoli, um den ich mich am meisten sorgte. Einmal warf ich einen verstohlenen Blick zu ihm hinüber und sah, dass er geweint hatte, der Kajal lief in schwarzen Rinnsalen seine Wangen hinunter. Er blickte mit so schmerzerfüllten Augen zu mir auf, dass es mir fast den Atem verschlug. Ach, du süßer, kleiner Ptoli , dachte ich, wie können sie dich zu so etwas zwingen? Dann fiel mir ein, dass auch Juba in einem solchen Triumphzug herumgeführt worden war. Doch er war damals noch ein Kleinkind gewesen und hatte die boshaften Bemerkungen nicht verstanden, die ihm entgegengeschleudert wurden. Da lag der Unterschied: Der beinahe achtjährige Ptoli verstand sie sehr wohl.
    So als wäre er noch ein Kleinkind, beugte ich mich zu ihm hinab, um ihn auf den Arm zu nehmen. Wenigstens sein körperliches Unwohlsein wollte ich für ihn erleichtern. Alexandros sah, was ich vorhatte, und berührte meine Schulter. »Ich nehme ihn«, sagte er lautlos über den ohrenbetäubenden Lärm hinweg und nahm Ptoli auf den Arm. Ptoli schlang Arme und Beine um ihn, vergrub sein Gesicht an Alexandros’ Schulter und schluchzte.
    Einige der Bemerkungen, die uns entgegengeschleudert wurden, änderten sich. Ich hörte eine Frau rufen: »Bei den Göttern, das sind doch nur Kinder!« Aber die Menge wandte sich zu ihr und schrie: »Verräterin!« und »Ägypter-Schlampe!«
    Diese Frau ist eine Mutter , dachte ich. Ich wollte ihr sagen, dass das Gemälde, das fast den ganzen Himmel verdeckte, nicht meine Mutter war und dass meine Mutter uns vor all dem beschützt hätte. Aber dann fiel mir wieder ein, dass wir ohne sie hier waren und meine Gedanken gerieten vor lauter Verzweiflung und Verwirrung ganz durcheinander. Die Zunge klebte mir am Gaumen und ich hatte schrecklichen Durst. Jeder einzelne Muskel litt unter dem Gewicht der Ketten und schrie nach einer Pause.
    Bei Engstellen hielt der Zug immer wieder an und wir waren gezwungen, im Angesicht derer stehen zu bleiben, die uns verfluchten und Octavian zujubelten. Die Soldaten, die den Schluss des Trosses bildeten, grölten derbe Lieder über den Mann, der sie zum Sieg geführt hatte. Eine Tradition, von der Vater mir schon erzählt hatte. Aber als ich genauer hinhörte und auf die Worte des Liedes achtete, schoss mir die Schamesröte ins Gesicht. Da ging es gar nicht um Octavian.
     
    Der arme Antonius wurde gefangen
und hat im Netz der Spinne gehangen!
Sein Obelisk gefiel der Königin gut,
doch jetzt sind sie beide tot!
     
    Ich warf einen raschen Blick hinter mich, während die Menge johlte und jubelte. Octavian machte ebenfalls ein wütendes Gesicht, wahrscheinlich weil er fand, sie sollten lieber Lobgesänge über ihn anstimmen, anstatt das Volk an unseren Vater zu erinnern. Jede Erwähnung von Marcus Antonius konnte den Vorwand zunichtemachen, dass es in diesem inszenierten Krieg um irgendetwas anderes gegangen wäre, als die Alleinherrschaft über Rom zu gewinnen. Ich hatte offenbar richtig geraten, da die Offiziere sich bemühten, ihre Männer zum Schweigen zu bringen. Doch die meisten Soldaten waren viel zu betrunken, um auf sie zu achten. Und so stimmten die Befehlshabenden ein neues Lied an, das sich nach ein paar Minuten ausbreitete wie eine Welle, die auf den Strand zuläuft.
     
    Heil, Caesar!
Wir reichen ihm die Hand.
Jetzt lassen wir uns nieder
und bestellen eigenes Land.
     
    Dieses Verslein schmetterten die Soldaten mit besonderer Inbrunst, denn genau damit hatte Octavian sich ihrer Treue versichert – mit dem Versprechen auf eigenes Land, wenn sie sich zur Ruhe setzten. Dieses Versprechen hätte er nie erfüllen können, ohne sich Ägyptens Reichtümer anzueignen. Wieder blickte ich zu Octavian zurück. Er grinste mit stolzgeschwellter Brust und sah aus

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