Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
Vom Netzwerk:
dir die Wahrheit gesagt«, sagte Ptoli.
    Der Mann lachte leise. »Kommt jetzt mit mir.« Wir folgten dem Mann durch einen kleinen Raum ohne Fenster in einen weiteren, noch kleineren Raum ohne Fenster.
    »Rabbi«, sagte er zu einem Mann mittleren Alters, der über eine Schriftrolle gebeugt dasaß. »Diese Kinder hier haben sich verlaufen und brauchen unsere Hilfe …«
    » Hashem stehe uns bei«, sagte eine zitterige Stimme aus einer Ecke des Raumes. »Ich kenne diese Kinder!«

~  Kapitel 23  ~
    Wir blickten zu dem gebeugten alten Mann, der gesprochen hatte.
    »Aba, kennst du diese Kinder?«, fragte der Rabbi und legte seine Schriftrolle beiseite.
    »Mein Sohn, du weißt, dass ich niemals ein Gesicht vergesse!«, sagte der alte Mann. Er musterte uns eingehend. »Ich habe gebetet, dass sie euch wirklich verschont haben und dass das nicht ebenfalls nur Lügen waren«, murmelte er. Er schaute Ptoli an und sagte etwas lauter. »Du da, dich kenne ich nicht.«
    »Ich kenne dich aber auch nicht!«, sagte Ptoli. »Wo sind wir hier?«
    »Ihr seid in einem Bet Ha-Midrasch, dem Lehrhaus eines hebräischen Tempels.«
    »In einer Synagoge?«, fragte Ptoli.
    »Sehr gut«, sagte der alte Mann. »Woher weißt du das?«
    »Der Mann, der uns geholfen hat, hat den da ›Rabbi‹ genannt«, sagte Ptoli und deutete auf den bärtigen Mann, der eine jüngere, lebendigere Ausgabe des alten Mannes zu sein schien. »Bist du auch ein Rabbi? Ein großer Teil unseres Volkes in Alexandria sind auch Juden.«
    Der Mann lachte und klatschte in die Hände. »Dann stimmt es also? Ihr seid wirklich die ägyptischen Königskinder?«
    »Ja«, sagte ich, »aber wer seid …«
    »Bei den Göttern«, murmelte Alexandros plötzlich und wandte sich zu mir. »Erinnerst du dich nicht, als Euphronius uns ins jüdische Viertel mitgenommen hat, damit wir etwas von dem Rabbi dort lernen sollten?« Er nickte, als wollte er sagen: Ich glaube, das ist er .
    »Aber das ist schon so lange her!« Ein ganzes Leben. Und ich konnte mich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern. Mein Herz klopfte heftig bei dem Gedanken, wie unwahrscheinlich es war, ihn hier wiederzusehen. War das das Werk von Isis? War dieser gütig aussehende alte Mann einer der Verbündeten, nach denen ich auf Anweisung von Amunet Ausschau halten sollte? Immerhin war er in Alexandria gewesen und war nun in Rom, genau wie wir. Und … und es wäre eine viel bessere Tarnung, wenn wir durch einen Anhänger des hebräischen Glaubens tätig wurden anstelle eines Anhängers von Isis, oder nicht?
    »Sagt an«, fragte der alte Mann. »Wie geht es meinem alten Freund Euphronius?«
    Alexandros und ich wechselten einen Blick. Wir kannten die genaue Antwort nicht, aber wir befürchteten, dass er zusammen mit all den anderen gekreuzigt worden war.
    »Ah«, sagte der alte Mann traurig. »Das tut mir sehr leid.«
    »Aber warum bist du hier in Rom?«, fragte ich.
    »Ich habe darauf bestanden, dass mein Vater Alexandria verlässt, um hier bei mir zu leben«, sagte der jüngere Rabbi. »Als wir gehört haben … als Antonius in Actium besiegt worden war, war ich um die Sicherheit meines Aba in so unruhigen Zeiten besorgt.«
    »Ich wollte nicht fort«, grummelte der alte Mann. »Dieses Rom gefällt mir nicht …«
    »Und habt ihr keine Nachrichten von den Verbündeten der Amunet für uns?«, fragte ich. »Keine Anweisungen?«
    Alexandros sah mich an. Wir hatten nicht viel über das gesprochen, was Amunet zu mir gesagt und welche Pläne sie für uns hatte. Wann immer ich es versucht hatte, war er ärgerlich geworden und hatte gesagt, wie dumm es von mir wäre zu glauben, wir könnten hier überleben, wenn wir uns Rom entgegenstellten. Wenn es erst einmal konkrete Pläne gab, so hoffte ich, würde er seine Meinung schon wieder ändern.
    Der alte Rabbi zuckte die Schultern. »Ich kenne keine Amunet und auch nicht ihre Verbündeten, wie du sie nennst.«
    »Sie war die Hohepriesterin der Isis in Alexandria«, sagte ich.
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Ach ja, wie sehr ich unsere schöne Heimatstadt vermisse«, seufzte er. »In Alexandria gab es Schönheit und Gelehrsamkeit und Toleranz. Hier sehe ich jede Menge hässliche Gebäude und Menschen, die nur die blutrünstigen Gladiatorenspiele sehen wollen.« Er warf voller Abscheu die Hände in die Höhe. »Wo sind hier Bibliotheken? Wo sind die Gelehrten? Die Dichter? Hier gibt es nur Gewalt und Gier, keine Gelehrsamkeit.«
    Der jüngere Rabbi seufzte. Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher