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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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auf dem Palatin, dem ihr vertrauen könnt?«
    »Octavia«, sagte ich.
    »Juba«, sagte Alexandros beinahe gleichzeitig. Mein Bruder wandte sich zu mir. »Octavia sitzt jetzt vermutlich neben ihrem Bruder beim Festgelage«, bemerkte er. »Juba ist die bessere Wahl, wenn es darum geht, uns hier aus der Subura hinauszubringen.«
    »Gut«, sagte der Rabbi. »Und wie kann ich ihm jetzt eine Nachricht zukommen lassen?«
    »Wartet«, rief ich, weil ich daran dachte, was der Soldat im Tullianum gesagt hatte. »Vielleicht sollten wir gar nicht dorthin zurückkehren. Der Soldat hat gesagt, Livia hätte den Befehl zu unserer Hinrichtung gegeben.«
    »Nein, das hat er nicht gesagt!«, widersprach Alexandros mit schockierter Miene. »Der Henker hat darauf bestanden, dass er keine derartigen Befehle bekommen hätte und dass er sie ohnehin nie ausgeführt hätte. Es war ein Irrtum. Das ist alles.«
    Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch der junge Rabbi unterbrach mich. Er schaute Alexandros direkt an und fragte: »Und wie kann ich diesen Juba erreichen?«
    Alexandros und der Rabbi redeten weiter. Ich senkte verwirrt den Blick. Ich wusste genau, dass der Soldat gesagt hatte, er würde auf Anweisung von »einer Frau aus Caesars Haus« handeln. Welche andere Frau sollte unseren Tod wünschen außer der Frau des Mannes, der uns hasste? Und wenn es geklappt hätte, wäre es genial gewesen, da ganz Rom bezeugen konnte, dass Octavian im Triumphzug und Livia auf der Tribüne war und somit keiner von ihnen persönlich verantwortlich gemacht werden konnte. Unser Tod wäre als unglückliches Missverständnis abgetan worden.
    Ben Harabim ging fort, um nach Juba zu suchen. Ich blickte zu Ptoli hinüber. Er hatte sich an den alten Rabbi gekuschelt und schlief tief und fest. Der alte Mann legte seine knochige, gefleckte Hand sanft auf Ptolis Kopf und sprach ein hebräisches Segensgebet. Ich erinnerte mich daran, wie Mutter an dem Abend vor ihrem Tod über Ptoli gebetet hatte und die Sehnsucht nach ihrer Berührung durchfuhr mich so sehr, dass mein ganzer Körper schmerzte.
    »Kommt«, sagte der jüngere Rabbi und hob Ptoli vom Schoß seines Vaters. »Ihr müsst euch alle ausruhen.«
    Ich wandte mich an den älteren Rabbi. »Danke«, sagte ich zu dem alten Mann und spürte, wie sich mein Hals wieder zusammenschnürte. »Euphronius wäre sehr dankbar für deine Freundlichkeit uns gegenüber gewesen.«
    »Pah«, sagte der alte Rabbi mit einem Lächeln. »Ich schulde Euphronius Dank. Hashem tut sein Werk auf geheimnisvolle Weise, denn es muss sein Wille gewesen sein, der euch heute hierhergebracht hat.«
    Das erinnerte ich mich daran, wie er vor so langer Zeit versucht hatte, mir die hebräische Vorstellung vom »freien Willen« zu erklären. Ich konnte es auch jetzt noch nicht besser verstehen, denn wie konnte etwas »Gottes Wille« und unser »freier Wille« zugleich sein? Und wenn es der Wille seines Gottes war, dass wir erniedrigt und im Triumphzug vorgeführt und fast hingerichtet worden waren, dann konnte ich mit Gewissheit sagen, dass ich diesen Gott nicht annehmen wollte. Isis würde mir helfen. Ich musste mich nur gedulden.
    Man ließ uns alleine in einem der Nebenräume des Bet Ha-Midrasch warten. »Wir sollten weglaufen, solange wir können, bevor man uns zu Octavians Haus zurückbringt«, flüsterte ich Alexandros zu. »Ich schwöre dir, dass es Livia war, die unseren Tod befohlen hatte. Es wäre dumm von uns, dorthin zurückzukehren.«
    Alexandros’ Blick wanderte zu Ptoli hinüber, der auf einer muffigen, fleckigen Strohmatte lag und im Schlaf zuckte. Wir hockten wie Sklaven neben ihm. »Und was sollen wir dann tun? Wie lange, glaubst du, würden wir dort draußen überleben?«, fragte Alexandros und deutete in die Subura hinaus. »Ich möchte lieber in der Höhle des Löwen leben und wissen, was mich erwartet, als von einem dreckigen, betrunkenen Römer angegriffen oder hinterrücks ermordet zu werden. Schlimmer noch, wir könnten Sklavenhändlern in die Hände fallen und … und die könnten uns trennen und uns sonstwohin verkaufen. Nein. Das können wir nicht riskieren.«
    Er hatte recht. Es war allgemein bekannt, dass umherstreunende Kinder – vor allem in der Subura – oft entführt und an Sklavenhändler verkauft wurden. Die Römer nannten die Kindsräuber Retiarii nach den Gladiatoren, die mit Netzen kämpften, weil sie so geschickt darin waren, schutzlose Kinder rasch von der Straße wegzufangen.
    Ich schauderte

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