Mondnacht - Mordnacht
aufgerissen, und für einen winzigen Moment raste durch seinen Hals ein irrsinniger Schmerz. Sein Mund füllte sich mit Blut. Der eine Gedanke, grauenvoll zu ersticken, zerblitzte so schnell, wie er ihm überhaupt in den Sinn gekommen war.
Dann überfiel Vinc die Finsternis.
Schlagartig und für immer…
***
Diese Nacht war schlimm!
Hätte man Dinah Hutton nach dem Grund gefragt, sie hätte keine exakte Antwort geben können. Hätte jedoch jemand tiefer gebohrt und nachgefragt, dann hätte sie erklärt, daß es wohl mit ihrer Tochter und deren Besuch in der Disco zusammenhing.
Genau dort lagen Teile des Problems. Nicht daß sie etwas dagegen gehabt hätte, aber Dinah wußte genau, daß ihre Tochter kein normaler Mensch war, sondern ein Wesen, über dessen Entstehung und Hintergründe sie jedoch nicht nachdenken wollte, weil sie nie dafür eine Erklärung hätte finden können.
Sie nahm es hin, und sie würde Simone auch immer schützen, soweit dies möglich war.
Es gab noch einen zweiten Teil des Problems. Und der stand am Himmel und glotzte auf die Erde hernieder. Der Mond. Er sah aus wie in den Himmel hineingeschnitten.
Vom Fenster ihres Schlafzimmers aus konnte sie den Mond sehr gut beobachten. Für sie war er nur der Erdtrabant, nicht aber für ihre Tochter.
Simone und der Mond – das war eine Geschichte für sich. Sie betrachtete ihn als Freund und Helfer. Für sie war er alles. Ein wirklich guter Freund. Jemand, auf den sie sich verlassen konnte, und sie hatte sogar hin und wieder mit ihm gesprochen.
Immer dann, wenn sie allein gewesen war. Da mußte dann auch etwas geschehen sein. Nur zu gut erinnerte sich Dinah an die Schreie, die röchelnden Laute. Sie wußte ferner, daß ihre Tochter des öfteren in den mondhellen Nächten unterwegs gewesen war und oft mit blutigen Händen zurückgekehrt war.
Dinah hatte nie Fragen gestellt. Ihre Tochter wäre auch nicht in der Lage gewesen, sie zu beantworten. Dinah hatte es einfach hingenommen und gelitten.
Auch in den folgenden Morgenstunden hatte sie sich in dieser Hinsicht nicht um Simone gekümmert. Die junge Frau war stets völlig fertig gewesen. Sie hatte sich erholen müssen und war irgendwann später wieder auf Tour gegangen.
»Ich halte zu dir. Mag kommen, was will, Simone. Auf mich kannst du dich verlassen. Zwei Außenseiter haben sich gefunden, und beiden Außenseitern geht es relativ gut. Dabei wollen wir es auch belassen. Wenn du nicht reden willst, Liebes, du brauchst es nicht.«
Simone hatte nur genickt. Sie war zufrieden gewesen und auf ihre Art und Weise glücklich.
So würde es Dinah auch in dieser Nacht halten, von der sie annahm, daß sie zumindest für ihre Tochter eine außergewöhnliche sein würde, eine, die Maßstäbe setzte.
Schlaf konnte und wollte sie nicht finden, auch nicht im Schlafzimmer.
Dinah wanderte von einer Wand zur anderen und ging dabei immer dicht am Fußende des Betts entlang.
Die Unruhe wuchs.
Simone wollte in die Disco. Ihre Mutter hatte keinen Grund, ihr nicht zu trauen, aber sie wußte auch, daß sie dort nicht nur tanzen oder sich amüsieren würde.
Sie würde irgendwann zurückkehren, und dann war für Dinah zu sehen, was dort tatsächlich geschehen war.
Natürlich hatte sie sich mit dem Verhalten ihrer Tochter beschäftigt. Sie hatte viel über Wölfe gelesen und dabei auch über eine Abart oder Variation.
So war sie sehr bald auf den Begriff Werwolf gestoßen, und dort wiederum mußte sie einhaken.
Lykanthrophie nannte man es. Schon die alten Griechen hatten davon gewußt, und dieses Phänomen hatte sich bis zum heutigen Tag gehalten. In zahlreichen Legenden und Sagen war darüber geschrieben worden. Dinah wußte selbst nicht, ob sie es glauben sollte, obwohl ihre Tochter anders war.
Wölfischer.
Sie gehörte dazu.
Sie wurde geleitet, und Dinah dachte dann immer wieder an den Schatten, der sich einige Male vor den Mond geschoben und einen Teil von ihm verdunkelt hatte.
Das war ein verdammter Wolf gewesen. Ein Projektion zwar, für sie aber trotzdem echt.
Dinah stand wieder vor dem Fenster. Und diesmal blieb sie auch davor stehen. Sie hatte einfach das Gefühl, es tun zu müssen. Da stimmte die Zeit. Sie wußte mit Bestimmtheit, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis ihre Tochter auftauchte. Das hatte sie einfach im Gefühl. Da hatte der innere Wecker schon angeschlagen.
Draußen tat sich nichts. Vor dem Haus herrschte die nächtliche Ruhe.
Man schlief. Die Nacht war ruhig, sie war
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