Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Yu Kon.
Haul atmete tief ein und aus, gab seinerseits durch ein Nicken zu verstehen, dass er verstanden hatte, und trat wie Hanns beiseite.
„Lisandra!“ Der Alte pfiff den Namen regelrecht zwischen seinen gelben Zähnen hindurch. „Du wirst tief in den Sumpf hinabtauchen, um deine Kröte zu finden!“
Lisandra riss die Augen auf.
„Sie wissen, dass da gefährliche Tiere herumschwimmen?“
„Entschuldige, Lisandra, ich hatte vergessen, dass du ein weinerliches Mädchen bist und keine Kämpferin!“, erwiderte Yu Kon höhnisch.
Daraufhin hielt auch Lisandra ihren Mund und nickte unterwürfig.
„Ich wünsche euch kein Glück!“, erklärte Yu Kon. „Denn ein wahrer Kämpfer braucht kein Glück. Er schöpft den Erfolg aus sich selbst!“
So sprach der Meister des schneefarbenen Todes und dann verließ er die Arena in Richtung des bösen Waldes.
„Auf dass ihn ein Schneebrüter mit einer Abwasserpfütze verwechselt!“, murrte Lisandra, als er außer Hörweite war.
„So wie der riecht, ist das schon ein paar Mal passiert“, sagte Hanns.
Haul konnte es immer noch nicht fassen, dass er auf Grohanns Dachboden nach der Kröte suchen sollte.
„Was ist heute los auf der Straße nach Quarzburg?“, fragte er. „Eine Monster-Parade?“
„Gar nichts ist da los“, antwortete Hanns mit kaum verhüllter Schadenfreude. „Sieh es ein, Haul – er mag mich ein bisschen lieber als euch!“
„Grohanns Dachboden würde mir eher in den Kram passen als der Sumpf“, schimpfte Lisandra. „Ich hasse es zu tauchen!“
„Wollen wir tauschen?“, fragte Haul. „Ich brauche keinen Streit mit Grohann. Dagegen erscheint mir ein Tauchgang im Sumpf wie ein Sommernachmittag im Planschbecken!“
„Wisst ihr, was ich glaube?“, sagte Hanns. „Es ist völlig egal, wo ihr sucht! Er ärgert euch nur.“
„Meinst du wirklich?“, fragte Lisandra hoffnungsvoll.
„Ja. Aber seine Anweisungen nicht zu befolgen, ist riskant.“
Haul gab einen lang gezogenen Seufzer von sich.
„Zu riskant, da hast du recht. Also versuche ich es mit dem Dachboden.“
„Und ich mit dem Sumpf“, murmelte Lisandra. „Auf die Weise kommen wir uns diesmal nicht in die Quere, Haul!“
„Stimmt“, sagte er. „Schade eigentlich.“
Sie wünschten sich gegenseitig Glück – ungeachtet der Tatsache, dass ein wahrer Kämpfer laut Yu Kon kein Glück brauchte – und brachen in unterschiedliche Richtungen auf.
Lisandra suchte lange, bis sie eine geeignete Stelle für ihren Tauchgang fand. Sie hatte erst überlegt, ob sie im Inneren der Festung in einen der Kanäle hinabtauchen sollte, doch dann überkam sie die Furcht, dass sie in den labyrinthischen Kanälen verloren gehen könnte und womöglich keinen Ort zum Auftauchen und Luft holen mehr fände. Lieber wollte sie an der Außenseite der Turm-Ruine nach unten tauchen. Dort konnte sie sich an der Außenmauer orientieren und leistete Yu Kons Aufforderung Folge, ohne sich in zu große Gefahr zu begeben.
Es kostete sie Überwindung, sich bis auf die lange Unterwäsche auszuziehen und in das graugrüne, dampfende und nach fauligen Algen riechende Wasser zu steigen. Doch als sie erst mal bis zur Hüfte drinstand und merkte, dass der Sumpf eine angenehme Temperatur hatte, wurde sie zuversichtlicher. Sie ging tiefer ins Wasser, bis sie keinen Boden mehr unter ihren Füßen fühlte, holte tief Luft und tauchte in das undurchdringliche, trübe Wasser hinab.
Die Taucherei kam ihr sinnlos vor, da sie unter Wasser sowieso nichts erkennen konnte, doch sie tauchte brav tiefer, solange es ihr die Atemluft erlaubte. Gerade als sie wieder an die Oberfläche zurückschwimmen wollte, schlang sich etwas um den Knöchel ihres linken Fußgelenks. Erst nahm sie es nicht ernst, dachte, es sei eine Pflanze und versuchte, sich zu befreien. Doch als sie nach dem vermeintlichen Schlingpflanzenblatt tastete, trafen ihre Finger auf einen weichen Muskel, der sich fischartig anfühlte und so fest um ihren Knöchel geschlungen war, dass sie ihn mit beiden Händen nicht von ihrem Fuß lösen konnte. Lisandra merkte, wie ihr die Luft ausging.
Früher hätte sie wie wild um sich gestrampelt und damit wertvolle Zeit und Kraft vergeudet. Jetzt, nach den vielen Wochen Unterricht bei Yu Kon, zwang sie sich zur Ruhe und versuchte nachzudenken, obwohl das Tier nun anfing, Lisandra nach unten zu ziehen und sie nichts dagegen tun konnte. Ihr Sternenstaubvorrat befand sich schlauerweise in der Hose, die sie oben am Ufer des
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