Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
und Lisandra dankte dem Himmel dafür, dass die Schildkröte sie gefunden hatte, denn sonst hätte Lisandra den Rest ihres Lebens hier unten verbracht – was für einen Menschen, der nicht sterben kann, ganz schön langweilig hätte werden können. Aber nein, beruhigte sich Lisandra, irgendwann hätte sie es doch noch geschafft, wieder ans Tageslicht zu kommen. In zehn oder zwanzig Jahren vielleicht …
Perpetulja interessierte sich nicht nur für die silberne Kröte, sondern auch für Yu Kon und Hanns und Haul. Lisandra erzählte bereitwillig, was sie wusste, da sie nicht annahm, dass es sich um Geheimnisse handelte. Gut, dass sie Haul gerne küsste, unterschlug sie.
Als Lisandra berichtete, dass Haul ein Gespenst war, kommentierte Perpetulja diesen Umstand mit der Äußerung „aaaaarrrrmmeer Junngeeee“, und als Lisandra beiläufig den Tod Grindgürtels erwähnte, der ja bekanntlich dazu geführt hatte, dass Hanns das Reich Fortinbrack erbte, sagte die Schildkröte „faaaataaaal“, ohne erklären zu wollen, was genau jetzt so fatal an Grindgürtels Tod gewesen war, obwohl Lisandra mehrmals nachfragte.
Irgendwann erreichten Lisandra und Perpetulja einen unterirdischen Kanal, an dessen Ufer ein Boot vertäut war. Die Direktorin erklärte Lisandra, wohin sie das Boot lenken musste (zweimal rechts, dreimal links), um in den Bereich der unterirdischen Schulräume zu gelangen.
„Ab daaaaaa weeeeeeiiiißt duuuuu deeeeeeen Weeeeeeeg.“
Lisandra dankte der Schildkröte vielmals zum Abschied und wurde daraufhin gebeten, Thuna Grüße auszurichten. Sie solle die Direktorin mal wieder besuchen. Bald. Das klang fast gar nicht nach einer Bitte, sondern eher nach einem höflich vorgetragenen Befehl.
„Das werde ich ihr ausrichten. Ist es denn dringend?“
„Köööööönnnnnntteeeee maaaaaan saaaaaaagen …“
Die Schildkröte ließ sich mit einem lauten Platscher neben dem Boot ins Wasser plumpsen und tauchte ab. Weg war sie.
Lisandra hatte keine Lust, in ihrer durchnässten langen Unterwäsche und mit nassen Haaren im Bereich der Schulräume gesehen zu werden. Sie lenkte ihr Boot darum vorsichtig und langsam um jede Ecke und vergewisserte sich, dass auch wirklich alle Schüler in ihren Räumen waren. Undenkbar, wenn sie jetzt Geicko begegnet wäre oder jemand anderem aus ihrer Klasse.
Sie erreichte die unterirdische Bootsanlegestelle ungesehen und schlich hinauf in die Festung, wo sie sich aus einer der herumstehenden Truhen einen Wandteppich mit kom ischen Fransen fischte und diesen um ihr en Körper wickelte. Jetzt sah sie zwar aus wie eine Meerjungfrau, die sich als Stehlampe verkleidet hatte, doch das war besser, als frierend in Unterwäsche durch die Festung zu springen. Die Frage war nur: Rannte sie jetzt nach draußen in den Schnee, um sich die Kleidung zu holen, die sie am Sumpf zurückgelassen hatte? Oder sollte sie bis ins Zimmer 773 hüpfen, um dort ihre Ersatzklamotten anzuziehen? Sie erinnerte sich an den Sternenstaub in ihrer Hosentasche und das entschied den Fall: Sie musste nach draußen in die Kälte.
„Toll“, brummte sie vor sich hin, als sie den Weg Richtung Haupteingang einschlug. „Jetzt mühe ich mich seit Stunden ab und wohin hat es mich gebracht? Gleich stehe ich wieder am Sumpf, wo ich angefangen habe, nur dass ich jetzt klitschnass bin und bibbern werde wie eine Verrückte!“
Doch wie so oft im Leben kam es anders. Lisandra kam nicht mal zehn Schritte weit, da sah sie sich auch schon gezwungen, wieder rückwärts zu gehen, die ganzen zehn Schritte, um dann – da sich diese Fluchtweise auf Dauer als zu uneffektiv erweisen würde – ihren Fransenteppich hochzuraffen und wie eine Besessene davonzurennen.
Was war es, was Lisandra so einen Schrecken eingejagt hatte? Es war die silberne Kröte! Sie hockte plötzlich groß und breit und fett mitten im Weg oder vielmehr: Sie verstopfte ihn. Die Kröte war so schlagartig erschienen, dass Lisandra fast dagegengelaufen wäre. Erst war sie verwundert, im nächsten Moment erschrocken, dann in Panik. Denn die Kröte füllte nicht nur den gesamten Raum aus vom Boden bis zur Decke, sondern sie hatte auch ein riesengroßes Maul mit einer Zunge, gegen die sich jeder Riesenpython wie ein Regenwurm ausgenommen hätte.
Als die monströsen Glu p schaugen der Kröte Lisandra erblickten, zwinkerten sie interessiert und gierig und das Maul mit der aufgewickelten Riesenzunge öffnete sich bedrohlich weit. Das war der Augenblick gewesen, in dem
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