Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
wer dieser Mann war, dessen Augen so glühten und der eine pechschwarze Aura verbreitete, die in den Augen kitzelte und in den Ohren pochte. Viego war in seinem Element. Das wirklich Komische daran war – und so erzählte es Gerald auch den Freundinnen – dass Viego noch nie in seinem Element gewesen war, seit Gerald ihn kannte. Sein Patenonkel war nur ein Schatten seiner selbst gewesen und Gerald hatte es nie gemerkt, weil er geglaubt hatte, das Schattenhafte sei typisch für die Existenz eines Vampirs. Doch das Gegenteil schien der Fall zu sein: Ein Vampir machte seine Mitmenschen nervös, weil er diese dunkle, pochende Energie verbreitete, die Viego in den letzten Jahren gefehlt hatte. Jetzt war sie wieder da und nicht nur Gerald würde sich daran gewöhnen müssen.
An einem dieser Abendessen, an denen Viego fehlte und sich Frau Eckzahn am Lehrertisch lauthals darüber beklagte, dass gewisse Lehrer kaum noch tragbar seien (was Estephaga mit einem Seitenblick auf Frau Eckzahn mit dem Wort „stimmt“ kommentierte), kam Lisandra mal wieder viel zu spät in den Hungersaal und erwischte gerade noch den Teller mit ihren kalten Sumpfgemüseknödeln, bevor er von einem eifrigen Molchmenschen abgetragen wurde.
„Halt!“, rief sie. „Der bleibt hier!“
Sie zerrte an dem Teller und der Molchmensch gab nach. Thuna und Maria versicherten, dass sie auch schon mit dem Molchmenschen um den Teller gerungen, aber verloren hätten.
„Wir wollten dich nicht hungern lassen!“, beteuerte Maria. „Aber er war stärker als wir.“
„Tja, dazu sind die Prügelstunden wenigstens gut: Ich muss einem Teller-Abräumer nur fest in die Augen sehen und schon verliert er die Macht über das Geschirr in seinen Molchfingern!“
Es war als Spaß gemeint, doch es steckte viel Wahres darin. Lisandra beobachtete in den letzten Wochen, dass es tatsächlich nicht auf die Kraft ankam, die sie anwandte, sondern auf etwas anderes. Ihren Willen, ihre Entschlossenheit oder ihren Glauben an ihr Recht. Der Unterricht war also nicht umsonst und das tröstete Lisandra an diesem Abend. Denn der Tag war so abgelaufen, dass Hanns und Haul ihre neuen Stöcke ausprobiert und damit wahre Wunder bewirkt hatten, während Lisandra mit ihrem Stock auf Kriegsfuß stand und fand, dass sie das Ding nur behinderte.
„Wozu brauche ich in meinem Alter eine Krücke?“, fragte sie ihre Freundinnen. „Ich bin doch kein alter Mann?“
„Du meinst so einen langen, großen, krummen Stock, wie Yu Kon einen hat?“, fragte Maria.
„Ja. Ein besserer Ast.“
„Ist das so eine Art Zauberstab?“, wollte Berry wissen.
„Im Moment ist es hauptsächlich ein Stock, mit dem alle Leute verprügelt werden, die Lisandra heißen! Was aber auch daran liegt, dass die anderen ihren Stock magikalisch aufladen, während ich mühsam Sternenstaub benutzen muss, um ihn mit Magie zu versorgen. Meine Vorräte sind fast aufgebraucht. Thuna, hast du noch was, das du mir leihen kannst?“
„Leihen?“
„Na gut, schenken. Ich habe einfach keine Zeit, in der Festung rumzurutschen und Staub zu sammeln und ihn bei Sternenlicht aufs Dach zu stellen.“
„Zumal wir gerade keine klaren Sternennächte haben“, sagte Thuna. „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen Stern gesehen habe!“
„Also, hast du noch welchen?“
„Ich gebe dir alles, was ich noch habe. Aber viel ist es nicht. Ich kann ja immer noch nichts damit anfangen.“
„Danke, du bist ein Schatz! Und könntest du vielleicht neue Vorräte anlegen? Bitte, bitte, bitte?“
Thuna sah Lisandra an, die trotz all ihrer Blessuren erstaunlich lebendig und fröhlich aussah, und konnte nicht Nein sagen.
„Also gut. Ich sammle Unmengen von Staub und sobald der Himmel sich bequemt, mal nicht verhangen zu sein, werde ich sie rausstellen aufs Dach.“
„Danke! Du musst wissen, ich bin total aufgeschmissen ohne das Zeug. Die Magikalie meiner Instrumente ist immer gleich aufgebraucht. Sternenstaub ist das Einzige, was meinen blöden Stock konkurrenzfähig macht!“
„Dann darfst du jetzt also zaubern?“, fragte Maria.
„Ja, ich dachte, das wäre ein Fortschritt“, antwortete Lisandra. „Aber es macht alles nur noch schwieriger.“
„Warum überrascht mich das jetzt nicht?“, sagte Scarlett. „Ich glaube, wenn du mal hier reinschneien und sagen würdest: ‚Heute war alles ganz einfach und ich war sehr erfolgreich!’, dann würde ich mir ernsthaft Sorgen um den alten Meister machen!“
„Wann bekommt
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